Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
wir auf Abenteuerfahrt. Okay, es war nur eine kurze Strecke, aber ich hatte das Gefühl, als ließen wir die ganze Welt hinter uns. Es gab nur uns, den Wind und die Sonne.
»Ich habe eine Idee«, sagte Simon, als wir vor einer roten Ampel langsamer wurden. Wir hatten eine Weile in einvernehmlichem Schweigen verbracht, nur umgeben vom Rauschen des Windes, als wir auf dem Highway an Städten wie Southampton, Watermill und Brigdemill vorbeisausten.
»Ja?«, fragte ich, während wir warteten.
»Lass uns den ganzen Tag mal nicht über unsere Familien reden. Weder über meinen Vater noch über deine Cousinen. Über niemanden.«
»Einverstanden«, antwortete ich. Unsere Blicke trafen sich im Rückspiegel. Simon nickte mir dankbar zu. Und dann schauten wir beide geradeaus auf die Straße, die uns wie ein langes, schwarzes Band entgegenraste.
»Ich lebe nicht in der Zukunft«, stellte ich richtig und schlug die Autotür zu. »Ich kann genauso gut in der Gegenwart leben wie du.«
»Wirklich?«, neckte mich Simon, während er mich durch grünes Gestrüpp zum Ufer des Georgica Ponds führte. »Dabei war mir doch eben, als hätte ich in deinen Gedanken die Frage gelesen, ob es das Auto wieder nach Hause schaffen würde.«
»Sei still. Du störst mich beim Genießen des Augenblicks.«
Wir gelangten auf eine Lichtung. Durch die Bäume blickte man auf stilles, blaues Wasser. »Und, wie findest du deinen Augenblick?«
Ich hielt inne und schaute hinaus auf den See. »Ich glaube, ich habe eine Epiphanie.«
Wir lachten.
Das Wasser des Sees war ruhig und wundervoll. Nach den unruhigen Wogen des Atlantiks würde uns das Schwimmen im Georgica Pond vorkommen, als legten wir uns auf einen kühlen, runden Spiegel. Aber ich mochte diese Stille, die flache, ruhige Fläche, die sich vor und um uns herum ausdehnte, gesäumt von Bäumen, hinter denen sich Villen verbargen. Ein Stück weit entfernt dümpelten Segelboote träge im Wasser und von Ferne hörte man das ungleichmäßige Dröhnen eines Motorboots. Es zog einen Wasserskiläufer hinter sich her, der seine Kurven über den See zog. Die Landschaft war in goldenes Sonnenlicht getaucht.
Ich legte eine Decke hin und packte unser Picknick aus. Unterwegs hatten wir Brot, Käse, Fruchtgummischlangen und Limo gekauft. Ich versuchte, meine Unsicherheit zu unterdrücken, als ich meine abgeschnittenen Jeans auszog. Simon streifte sein T-Shirt ab. Insgeheim betrachtete ich seine breiten Schultern und seine blasse Haut, die gut zu ihm passte. Simon legte sich hin. Ich blieb noch etwas sitzen und wärmte meinen bloßen Rücken in der Sonne. Nach ein paar Minuten entspannte ich mich und lehnte mich rückwärts auf die Ellbogen. Ich wurde allmählich braun, stellte ich fest, als ich auf die Rundung meiner Schulter blickte. Der Sommer schritt schnell voran …
Georgica Pond ist das größte Tidenbecken auf Long Island. Es ist nur durch einen schmalen Sandstreifen vom Ozean getrennt und wird vom Meer und verschiedenen Quellen gespeist. Es war Jahre her, dass ich dort gewesen war, damals zusammen mit Corinne und unseren Vätern. Wir fingen kleine Krabben und warfen sie wieder ins Wasser. Wir schwammen im dunkelblauen See … Doch die Vergangenheit und sogar die Zukunft verblassten, als ich plötzlich spürte, wie Simon mit seiner warmen Hand leicht mein Handgelenk umfasste. Er zog mich hinunter auf die Decke, und ich sah durch die Bäume hinauf zum Himmel, Flecken von Blau, gesprenkelt mit grünen Blättern.
»Das Licht hier draußen … So etwas findet man nirgendwo sonst auf der Welt«, murmelte Simon, rollte sich auf den Bauch und blickte über den See. »Wusstest du, dass es eine Aquarellfarbe gibt, die nach diesem Licht benannt ist? Sie heißt Hamptons Blue. Siehst du, wie das Licht fast aussieht, als schlüge es kleine Wellen? Als liege Wasser in der Luft.«
Ich drehte mich auch auf den Bauch. »Aber es liegt ja auch Wasser in der Luft«, erklärte ich, während Simon sanfte Kreise auf der Innenseite meines Handgelenks schrieb und meinen Puls zum Flattern brachte. »Es gibt einen Grund dafür, warum das Licht hier anders ist«, fuhr ich fort und versuchte, mir die Aufregung nicht anmerken zu lassen. »Das liegt daran, dass das Meer und die vielen Seen auf der Insel so nahe beieinanderliegen. Durch die Wasserflächen entstehen Lichtwellen, durch die es aussieht, als vibriere die Luft. Aber das ist alles nur ein Ergebnis von Reflexion und Lichtbrechung.«
»Du brauchst wirklich für
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