Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
Vom Netzwerk:
alles eine Definition, oder?« Simon schüttelte den Kopf. »Dein wissenschaftlicher Verstand. Wir sollten uns um eine Hirnoperation für dich kümmern.«
    »Was hast du gegen Wissenschaft?«, fragte ich herausfordernd. »Willst du denn nichts über die Natur der Dinge erfahren?«
    »Aber auch die Naturwissenschaft ist nicht immer exakt«, konterte Simon. »Nimm zum Beispiel die Chaostheorie. Es gibt Phänomene, die vollkommen unerklärlich scheinen. Etwa Quantenphysik. Absolut abgefahren.«
    Ich war erstaunt, das aus Simons Mund zu hören. Ich hatte schon den ganzen Sommer über diese Probleme nachgedacht, aber nicht mit ihm darüber geredet. »Ich weiß«, sagte ich. »Aber trotzdem«, fügte ich lahm hinzu. Ich konnte nicht anders, als nach Fakten zu suchen und alles in meiner Umgebung zu analysieren, auch wenn ich wusste, dass das scheinbar Wahre und Verlässliche manchmal trügerisch war.
    »Ich zum Beispiel«, fuhr Simon fort. »Ich sehe das Licht und finde es einfach schön. Das genügt mir. Nur diese Schönheit allein. Das kann man nicht wissenschaftlich erklären, das ist einfach so – ein wunderschönes, seltsames Licht.«
    »Das ist mir zu poetisch.«
    »Was stört dich an Poesie?«
    Ich lächelte. »Zu romantisch für mich.«
    »Ach ja, stimmt«, murmelte Simon gespielt sarkastisch. »Das hätte ich beinahe vergessen. Du bist keine Romantikerin.«
    »Du sagst es.«
    »Nicht einmal in romantischen Situationen?« Simon fuhr mit den Fingerspitzen an der Innenseite meines Arms hinauf bis zu meiner Schulter.
    »Irgendjemand muss doch mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben«, flüsterte ich zittrig, als er über mein Schlüsselbein und dann wieder zurück zu meiner Schulter fuhr.
    »Was hast du noch mal gesagt, als wir uns zum ersten Mal am Strand unterhalten haben?« Simon legte den Kopf zurück und dachte nach. »Irgendetwas über Romantiker, die zum Scheitern verurteilt sind?«
    »Ich habe gesagt, es sei besser, realistisch zu sein.« Ich erschauerte, als Simon dem Umriss meiner Schulterblätter folgte und dann an meiner Wirbelsäule hinunterfuhr. »Romantiker werden immer …«
    Er schnitt mir mit einem Kuss das Wort ab. »… enttäuscht?«, neckte er mich mit tiefer Stimme, hob den Kopf und legte mir einen Finger auf die Lippen. Ich neigte wieder den Kopf zu ihm und erwiderte seinen Kuss. Ein langer, süßer Kuss … er schien die Zeit zu dehnen und zu verzerren.
    Endlich lösten wir uns voneinander und drehten uns auf den Rücken. Wir lagen da, Seite an Seite, und schauten hinauf durch die Bäume. Ich schloss die Augen und atmete tief ein, um den Moment zu verlängern, als sei die Zeit tatsächlich ein elastisches Band, an dem man ziehen konnte, um es auszudehnen. Ein Stich fuhr mir durchs Herz, weil sogar in solchen Augenblicken ein Teil von mir bereits traurig ist – der Teil, der weiß, dass der Moment sich bereits seinem Ende zuneigt, weil nichts wahrhaft Perfektes von Dauer sein kann.
    Jedenfalls bis jetzt nicht. Nicht, solange die Wissenschaft noch nicht entdeckt hat, wie man die Zeit dehnen kann. Ich wollte Simon schon von Einsteins Theorie der Zeitdilatation erzählen: Wie man, wenn man sich schnell genug bewegte, tatsächlich die Zeit verlangsamen könnte.
    Doch Reden hätte diesen Moment nur verdorben. Dies war das reinste Glück, das ich bisher im Leben gekannt hatte: sich mitzuteilen und verstanden zu werden, einfach nur, indem man dem Menschen nahe war, mit dem man am liebsten zusammen sein wollte und zu viele Fruchtgummis aß. Ich hätte nie geglaubt, dass Liebe in so kleinen Einzelheiten steckte, dass sie sich so vertraut anfühlen konnte, obwohl sie neu war. Ich hatte geglaubt, die Liebe sei etwas Wildes, Unbekanntes, dass auf einen zuraste und einen mitriss. Teilweise war sie natürlich so, aber das war nicht alles.
    Ein Teil von mir löste sich wie ein Ballon; ich schwebte empor und stellte mir vor, dass ich uns von oben sähe – zwei Gestalten, die inmitten eines großen, grünen Waldes lagen, Wasser zu ihren Füßen und blauen Himmel über sich. Nur wir waren dort. Unsere Gestalten schrumpften und entfernten sich, wurden kleiner und kleiner, je höher ich schwebte.
    Nur wir. In einem grünblauen Kreis. Und es war vollkommen.

kapitel zehn
    Am Tag nach dem Ausflug zum Georgica Pond reiste Gen ab.
    »Jetzt komm schon wieder auf den Teppich! Wenigstens schicken sie dich nicht eine Entzugsklinik!«, sagte sie scherzhaft zu Corinne. Beth und mir trug sie auf: »Sorgt ihr dafür,

Weitere Kostenlose Bücher