Der Sommer der Toten
hatte sich schon vor zwei Stunden dieser Dinge entledigt. Diesen komischen Zombies war es ohnehin scheißegal, ob die Polizei nun mit oder ohne Mütze auf sie aufpasste.
„Ich fange langsam an, dieses Nest hier zu hassen“, meckerte der erste Polizist weiter. „Eigentlich wollte ich dieses Wochenende nach Köln fahren. Ich habe Karten für das Bundesligaspiel dort. Stattdessen stehe ich jetzt hier herum, habe Urlaubssperre und darf noch mehr Überstunden machen, als ich ohnehin schon habe. Und für was? Für ein lächerliches Gehalt und eine Pension, von der keiner weiß, ob ich die jemals kriege.“
„Gibt es eigentlich mal etwas, mit dem du zufrieden bist?“, fragte sein Kollege unwillig. „Seit wir hier stehen, bist du nur am meckern. Gib doch ein einziges Mal etwas Positives von dir und ich wäre schon mehr als glücklich.“
Der andere sah seinen Kollegen nur missmutig an und grunzte unwillig.
Sie hockten beide auf der Motorhaube ihres Dienstwagens. Sie hätten sich zwar auch genauso gut in das Auto setzen können, aber selbst jetzt war die Luft im Fahrzeug unerträglich. Durch die geöffneten Seitenfenster drangen gelegentlich Funksprüche zu ihnen – die meisten Meldungen, die über den eingestellten Sonderkanal abgesetzt wurden, berichteten lediglich, dass es im Ort sehr ruhig war.
Der andere Polizist griff wieder zu dem Nachtsichtfernglas und beobachtete erneut das Treiben auf dem Hexenhügel. Plötzlich sog er hörbar die Luft ein.
„Was ist?“, fragte sein Kollege, der sehr wohl anhand dieser Reaktion erkannt hatte, dass etwas nicht stimmte.
„Sie sammeln sich“, sagte der andere tonlos.
„Wie bitte?“
„Die scheinen irgendetwas vorzuhaben.“ Er machte eine kurze Pause. Seine elektronische Armbanduhr signalisierte durch einen kurzen Piepston, dass gerade eine volle Stunde erreicht war. Mitternacht.
„Scheiße“, fuhr er fort, während er das Fernglas sinken ließ. „Sie kommen.“
5.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen war in Annas Gastraum der Teufel los.
Der Knall der Pumpgun war schier ohrenbetäubend. Alle gingen geistesgegenwärtig in Deckung. Bianca warf sich mit einem Hechtsprung hinter eine hölzerne Trennwand, die zwei mittelgroße Tische voneinander separierte.
Sie spürte mit einem Male, dass ihre Wade zu glühen begann. In diesem Augenblick konnte sie noch nicht einmal behaupten, dass es wehtat, aber ihr war klar, dass die Schrotladung aus der Pumpgun sie erwischt hatte.
Sofort nach dem Schuss sprang Klaus über die Tische und warf den Bürgermeister zu Boden. Das war eine sehr gefährliche Aktion, aber der Bürgermeister war von der Attacke dermaßen überrascht, dass er nicht dazu kam, zu reagieren. Er schaffte es zwar gerade noch, die Waffe mittels des Pumpmechanismus erneut zu laden, aber ehe er einen weiteren Schuss abfeuern konnte, hatte ihn Klaus bereits am Boden.
Biancas Landung war nicht zuletzt dank des Treffers alles andere als weich. Sie knallte mit der Stirn auf die Sitzbank und rutschte mit dem Kopf voran zwischen Bank und Tisch zu Boden, sodass nur noch ihre Beine grotesk in der Luft hingen. Sie fluchte heftig. Gleichzeitig spürte sie, wie warmes Blut an ihren Beinen entlang lief. Die Wunde begann außerdem unangenehm zu pochen.
Anna war wie Dr. Kovacs einfach auf ihrem Platz unter den Tisch gerutscht. Beide sahen sich entsetzt und ratlos an.
Klaus rang erbittert mit dem Bürgermeister und versuchte, ihm die Waffe zu entreißen. Dieser freilich wollte sie nicht hergeben.
Klaus nutzte die Waffe als Hebel, um ihm die Arme zu verdrehen. Er hatte bereits eine gute halbe Umdrehung geschafft, als der Bürgermeister das Gleiche in die Gegenrichtung versuchte. Dabei löste sich ein weiterer Schuss, der den Bürgermeister traf. Dieser quittierte den Treffer mit einem bestürzten Röcheln und ließ die Waffe endlich los.
Klaus sprang mit der Pumpgun in der Hand auf und starrte auf den Verletzten.
„Scheiße!“, rief er entsetzt aus.
Dass Bürgermeister Staudinger noch lebte, grenzte in der Tat an ein Wunder. Die Wirkung einer solchen Waffe war fast noch verheerender, als ihr Ruf Glauben machte.
Der Bauch des Bürgermeisters war ein einziger Haufen zerfetzten Fleisches, aus dem jene Teile seiner Gedärme drangen, die durch den Schuss nicht ebenfalls zerfetzt worden waren. Wenn man genau hinschaute – wozu niemand wirklich Lust hatte –, konnte man durch den zerstörten Bauchraum hindurch an der zertrümmerten Wirbelsäule vorbei die PVC-Fließen
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