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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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Slip fingerte, während er mit der Zunge über ihre Lippen strich, ohne sie weiter zu küssen, was ihre Lust noch anfachte. Die verschlungenen Hände fuhren hinab. Als sie auf Höhe ihrer Hüften lagen, küsste er sie richtig, kraftvoll, und zog die verspielten Finger zurück. Dann nahm er sie in die Arme und trug sie zum Bett.
    Tomás war keiner, der nach dem Sex einschlief. Jetzt wäre es ihr lieber gewesen. Zum Glück war er aber auch keiner, der redete, er lag einfach neben ihr, Haut an Haut, genoss das Schweigen. Draußen peitschte der Regen durch die Straßen. Sie ließ sich vom Rauschen wiegen, von der Berührung, und dachte, dass dies der Moment war. Dass er vielleicht kein Recht hatte, wie María gestern Abend immer wieder betont hatte, dass sie aber so aufrichtig sein und es ihm erzählen sollte. Sie wollte ihn um nichts bitten, keine Verantwortung einfordern. Nur die Wahrheit sagen.
    »Leire«, flüsterte er. »Ich muss dir etwas erzählen.«
    »Ich auch.« Ihr Lächeln konnte er im Dunkeln nicht sehen. »Fang an.«
    Er drehte sich zu ihr.
    »Ich habe eine Dummheit gemacht.«
    »Du?«
    »Aber du bist mir nicht böse, ja? Versprichst du es?«
    »Versprochen. Und du auch.«
    »Ich habe ein Boot gemietet. Für nächsten Monat. Ich will für ein paar Tage rüber zu den Inseln, Ibiza oder Menorca. Und ich würde mich freuen, wenn du mitkommst.«
    Sie konnte es nicht glauben. Die Aussicht, mit ihm zu verreisen, beide allein, und ganze Nächte in einer Kajüte durchzubumsen, mit romantischen Abendessen an Deck und Stränden mit blauem Wasser, es verschlug ihr die Sprache. Sie dachte an María, wie sie Wassereimer schleppte, um im afrikanischen Busch die Hilfsstation zu bauen, und sie musste lachen.
    »Worüber lachst du?«
    Sie konnte nicht aufhören.
    »Über nichts ...«, stammelte sie, und dann lachte sie noch einmal schallend.
    »Glaubst du vielleicht, ich kann kein Boot steuern?«
    »Das ist es nicht ... ehrlich ...«
    Er fing an, sie zu kitzeln.
    »Du lachst über mich! Du lachst mich aus, ja? Du wirst ...!«
    »Hör auf, hör auf ... Hör auf, bitte! Es reicht!«
    Die harschen Worte zeigten Wirkung, denn er hielt inne, auch wenn er in drohendem Ton sagte:
    »Sag, dass du mitkommst ... oder ich kitzel dich tot.«
    Leire seufzte. Nun denn. Sie konnte es nicht weiter hinauszögern. Der Regen schien nachgelassen zu haben. Ein Gewitter, das weiterzog, dachte sie. Sie holte Luft und fing an:
    »Tomás, da ist ...«
    Ein Telefon klingelte.
    »Das ist deins«, sagte er.
    Leire sprang aus dem Bett, erleichtert über die kleine Atempause. Sie musste erst nach dem Handy suchen, weil sie nicht einmal wusste, wo sie ihre Jacke gelassen hatte. Sie fand es im Esszimmer auf dem Boden, neben der Tür, und konnte gerade noch antworten. Der Anruf war kurz, nur einpaar Sekunden, nicht länger als die schreckliche Nachricht selbst.
    »Ist etwas passiert?«, fragte er. Er kniete, nackt, mitten auf dem Bett.
    »Ich muss gehen«, antwortete sie. »Tut mir leid.«
    Sie nahm rasch ihre Kleider und lief ins Bad, noch benommen von dem, was sie gerade gehört hatte.
    »Ich komme so bald wie möglich zurück«, sagte sie, bevor sie ging. »Dann sprechen wir, einverstanden?«

20
    Es hatte schon angefangen zu regnen, als Héctor zum Kommissariat kam. Er hatte die Hoffnung, Martina Andreu noch anzutreffen, aber ihr Dienstzimmer war leer. Er grüßte ein paar Bekannte und fühlte sich unbehaglich, als wäre dies nicht mehr sein Ort, und nur verstohlen warf er einen Blick auf die Tür seines eigenen Zimmers. Offiziell war er zwar im Urlaub gewesen, aber alle wussten, was vorgefallen war. Im Laufe der Jahre hatte er viele Kommissariate kennengelernt, und sie waren wie jede andere Arbeitsstelle auch: eine Quasselbude und Gerüchteküche. Vor allem wenn es jemanden betraf, der sich bis dahin durch eine makellose Personalakte ausgezeichnet hatte. Entschlossenen Schrittes ging er zum Schreibtisch von Leire Castro, und sogleich sah er die Mappe mit dem Bericht. Die Hände auf den Tisch gestützt, überflog er die Liste mit den Anrufen von Aleix Rovira. Der Junge war wirklich ein unerschöpflicher Quell an Überraschungen, dachte er, als er die Namen von Rubén Ramos und Regina Ballester in der beiliegenden Aufstellung sah. Und gleichwohl war der erste Name mehr eine Bestätigung denn eine wirkliche Überraschung, sagte er sich; er musste an das Gespräch denken, dass er eben mit Óscar Vaquero geführt hatte.
    Er hatte sich mit ihm am Eingang

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