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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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dass ich dir glaube, aber eine Zeugin hat dich am Dienstagabend gegen halb neun vor seinem Haus gesehen.«
    »Was sagst du?« Er schrie fast.
    »Héctor, ich teile dir nur mit, was ich herausgefunden habe. Ich müsste das nicht einmal tun, also sei so lieb und brüll mich nicht an.« Darauf erzählte sie ihm, was Rosa erklärt hatte, ohne die kleinste Auslassung, und dann von den Auskünften, die sie am Mittag in der Metzgerei erhalten hatte. »Deshalb bin ich zu dir. Die Haustür war offen, also ich bin hochgegangen. Als ich an der Wohnung im ersten Stock vorbeikam, fiel mir auf, dass die Tür auch nicht geschlossen war, es kam mir seltsam vor. Ich habe sie aufgestoßen und ... die arme Frau gefunden, auf dem Boden, bewusstlos.«
    Salgado hörte dem Bericht seiner Kollegin zu, ohne sie zu unterbrechen, während sein Gehirn versuchte, die anderen Teile ins Bild einzufügen: die bedrohlichen Aufnahmen von ihm, wie er auf Omar einschlug, dann die von Ruth am Strand. Er schaffte es nicht, aber Andreu, dachte er, hatte es verdient, davon zu erfahren. Er wollte ihr nichts mehr verschweigen, und als sie fertig war, erzählte er es ihr. Dann standen sie schweigend da, nachdenklich, beide vertieft in die eigenen Fragen und Befürchtungen. Héctor griff schließlich zum Handy, suchte im Telefonbuch nervös nach der Nummer seines Sohns und drückte die Taste. Zum Glück antwortete Guillermo diesmal sofort. Salgado sprach ein paar Minuten mit ihm und versuchte sich normal zu geben. Dann rief er Ruth an. Eine ausdruckslose Stimme antwortete, die mitteilte, dass der Teilnehmer zurzeit nicht erreichbar sei.
    Unterdessen beobachtete Martina Andreu ihn. Es gab Gründe für ihren Verdacht, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er ihr gegenüber, Ironie des Schicksals, dasselbe Argument würde vorbringen müssen, das er vor einer Stunde aus dem Mund von Savall gehört hatte. Er würde ihre Freundschaft ins Feld führen, das Vertrauen, die gemeinsamen Jahre im Dienst.
    »Ruth geht nicht ran?«, fragte sie, als er das Handy wieder einsteckte.
    »Nein. Sie ist nicht in der Stadt, sondern ein paar Tage in Sitges. Ich rufe sie später an. Das mit der DVD fand sie gar nicht lustig, wie du dir denken kannst.« Er sah die Unterinspektorin fest an. »Ich habe Angst, Martina. Ich spüre, dass mein Umfeld bedroht ist. Und jetzt auch noch das mit Carmen. Das kann kein Zufall sein. Jemand will mein Leben zerstören.«
    »Du nimmst die Verwünschungen von diesem Dr. Omar doch nicht ernst?«
    Er erstickte ein bitteres Lachen.
    »Im Moment könnte ich mir alles vorstellen.« Er musste daran denken, was ihm der Professor an der Uni erzählt hatte. »Aber ich nehme an, ich muss mir Mühe geben, nicht darauf hereinzufallen. Ich will sehen, ob es von Carmen etwas Neues gibt. Du musst nicht hierbleiben.«
    Sie sah auf die Uhr. Zehn nach vier.
    »Wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Natürlich nicht. Du glaubst mir, Martina, oder? Ich weiß, das alles scheint sehr merkwürdig, und das Einzige, worum ich dich bitte, ist Vertrauen. Ich bin nicht zu Omar gegangen, ich habe auch keinen Schweinekopf bestellt, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wo der Mann sich aufhalten könnte. Mein Wort.«
    Sie ließ sich ein wenig Zeit, ehe sie antwortete, vielleicht länger, als er erwartet hatte, und weniger, als sie gebraucht hätte, um eine wirklich aufrichtige Antwort zu geben.
    »Ich glaube dir. Aber du steckst ganz schön in der Scheiße, Salgado, das sage ich dir auch. Und ich weiß nicht, ob dich diesmal jemand raushauen kann.«
    »Danke.« Héctor ließ die Schultern hängen und schaute zum Eingang des Krankenhauses. »Ich gehe hinein.«
    »Halt mich auf dem Laufenden.«
    »Du mich auch.«
    Martina Andreu blieb einen Moment stehen und sah, wie Héctor durch die Eingangstür verschwand. Dann ging sie langsam zum Taxistand, stieg in das erste in der Reihe und gab dem Fahrer die Adresse von Inspektor Salgado.
    Héctor saß auf einem Plastikstuhl in einem Gang nahe der Intensivstation und sah zu, wie das Personal und die Besucher kamen und gingen. Zuerst achtete er noch auf sie, doch mit der Zeit ließ er die Lider sinken und konzentrierte sich auf ihre Schritte: schnell, langsam, fest oder verängstigt. Nach und nach schwand auch das aus seinem Bewusstsein, und er dachte daran, was alles in den letzten fünf Tagen geschehen war. Und der Flug, der verlorengegangene Koffer, das Gespräch mit Savall und der Besuch in der Praxis von Omar mischten sich mit den Aussagen

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