Der Sommer der Toten
in St. Alazara funktionierte.
»Aber Butch hat es getan, oder nicht?« fragte Judy.
»Hast du ihn gesehen?« erwiderte David.
»Ich sah überhaupt niemanden. Katie sagte, es wäre Butch, als sie an unsere Haustür hämmerte.«
Barney renkte sich fast den Hals aus, um ja kein Wort zu überhören.
Judy verstummte für einen Augenblick.
»Na, jedenfalls ließ ich das Telefon wieder anschließen. Da fühle ich mich schon bedeutend sicherer. Wenn du anrufen möchtest, Katie, dann komm einfach auf einen Sprung rüber. Der Mann von der Fernsprechgesellschaft war richtiggehend erstaunt. Er sagte, es wäre der erste Anschluß hier draußen seit drei Jahren. Alle anderen hätten die Anschlüsse sperren lassen.«
»Was für ein Unsinn!« rief David empört aus. »Die Leute hier sind …«
»Katie? Erinnerst du dich, wie wir gestern auf der Straße anhielten? Als du sagtest, hier wäre nicht alles normal?«
Katie wußte es genau.
»Nicht nur der Vorfall von gestern abend, sondern auch andere Dinge.«
Sie bemerkte, daß Barney angestrengt lauschte und senkte die Stimme.
»Und was ist denn mit Hercules los? Er ist zu Tode verängstigt. Er hat mich kaum gegrüßt. Und die alten Leute sind richtig unfreundlich und muffig.«
»Unfreundlich?« fragte Katie.
Das klang so gar nicht nach den alten Männlein und Weiblein, die ihr zugelächelt und sie betastet hatten, die schon fast überfreundlich gewesen waren.
»Zum Beispiel?« fragte David.
»Also, ich hielt an der Tankstelle und wollte tanken, und der alte Willis blieb einfach sitzen und beachtete mich nicht. Kam gar nicht rüber, um bei mir aufzutanken. Und als ich schließlich hupte und er endlich dahergeschlurft kam, wißt ihr, was er da sagte?«
Sie sah sich um, um ja sicherzugehen, daß ihre zwei Söhne nicht mithörten. Aber die waren drüben an der Popcornmaschine und bewunderten Barneys Revolver und Gürtel. »Er sagte: ›Und ich dachte schon, wir wären euch endlich los, als deine Eltern nach St. Cloud zogen.‹ Und dann sagte er etwas richtig Gemeines, so daß nur ich es hören konnte, die Kinder aber nicht. Er sagte ›Verschwinde hier, du Hure. Du paßt hier nicht rein.‹«
»Das sagte Willis? Warum?« Katie war fassungslos.
»Weiß ich nicht. Ich fragte noch, was denn hier los sei, und er murmelte nur etwas vor sich hin, daß alles gut liefe und Außenstehende bloß etwas verderben könnten.«
»Genau das hat Aggie auch gesagt … sie sprach von einem Plan, der klappen müßte«, platzte Katie viel zu laut heraus.
Und sofort wurde sie sich der Stille im Laden bewußt, einer lauschenden Stille. Hercules erhob sich – man kann es nicht anders nennen – hinter dem Brotstand. Er machte eine knappe, beschwichtigende Geste, die bedeuten sollte »Mund halten«.
David kapierte sofort.
»Also, ich habe noch keine festen Pläne«, plapperte Judy gekünstelt drauflos. Sie spürte, daß da etwas nicht stimmte, glaubte aber, es hinge damit zusammen, daß sie schlecht von dem alten Willis gesprochen hätte. »Ich weiß auch nicht, wie es jetzt mit Aggies Sommerhäuschen weitergeht. Otto war schon da und hat sich umgesehen …«
»Sicher will Otto den Besitz erwerben«, meinte David. »Dann gehört ihm das gesamte Ufer …«
Im danebenliegenden Regalgang schrie plötzlich einer von Judys Söhnen auf.
»Du dreckiger kleiner Bengel!« rief eine zittrige hohe Stimme.
Sie liefen um die Ecke der Dosenregale und sahen, wie eines der Dorfweiber wutschnaubend Judys jüngerem Sohn einen Tritt – etwa schon den zweiten? – versetzen wollte. Für ihr Alter erstaunlich energiegeladen. Es war die alte Valma Peter, eine Witwe, einst die »Hoffnung der Kirchengemeinde«. Vor langer Zeit hatte sie in einen Orden eintreten wollen, aber nicht mal die Nonnen wollten sie bei sich behalten.
»Hören Sie auf damit!« rief David und zog den schreienden Jungen mit sich fort. Der lief zu Judy und klammerte sich an ihre Beine.
»Das ist mein Sohn«, sagte Judy zornbebend, »was hat er Ihnen denn getan?«
»Ich weiß, wer er ist«, kreischte die Alte. »Und dich kenne ich auch, du junge Schlampe.«
Judy errötete. »Jetzt hören Sie mal …«
»Ich hab’ alles gesehen«, meldete sich nun Barney und kam näher. »Der Junge rempelte die alte Dame an und ihr fiel fast die Tasche aus der Hand. Ein kleiner Unfall!«
Die Alte sah die Kinder geringschätzig an, dann Judy und die anderen.
»Sind Sie nicht der Sohn von Ellenwood?« fragte sie David, ein wenig milder
Weitere Kostenlose Bücher