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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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vorgeht.«
    »Ach?« Otto kniff die Augen zusammen und spähte über sein langes Riechorgan hinaus. »Und warum?«
    »Butch braucht Hilfe. Und ich habe Interesse an dem Fall.«
    »Ach? Butch braucht Hilfe?«
    »Butch hat niemanden getötet.«
    »Aber deine Frau hat er angesprungen, stimmt’s?« Otto deutete mit dem Daumen auf Katie. Männergespräche. »Wie ich höre, hätten Sie das besser selbst häufiger machen sollen. Noch keine Kinder, wie. Hehe.«
    David warf ihm einen Blick voller Abscheu zu. Otto kümmerte das keinen Pfifferling.
    »Jaja, Butch lief rüber und brachte sie um. Hatte einen Baseballschläger dabei und gab ihr damit eins drüber. Das wissen Sie sicher?«
    »Hab’s gehört. Aber da wäre noch etwas anderes, und es beweist, daß Ihr Sohn Hilfe braucht.«
    »Mein Sohn!« Otto spuckte wieder aus. »Den tausche ich am besten gegen ein neues Modell um.«
    »Dafür ist es zu spät«, wagte Mrs. Ronsky einen traurigen kleinen Scherz. »Ich bin schon neunundvierzig …«
    »Halt die Klappe«, sagte Otto.
    »Man wird Ihren Sohn für den Rest seines Lebens in eine Anstalt bringen. Vielleicht sogar in eine Besserungsanstalt, falls er keinen guten Verteidiger hat. Butch hätte keine Chance, Sie wissen ja, wie es in diesen Anstalten zugeht?«
    Otto zuckte die Schultern. Langsam wandte er den Blick, ließ ihn über die Gebäude gleiten, liebevoll über die Felder schweifen. Das war sein Besitz. Abrupt wandte er sich wieder David zu und überraschte ihn mit der Frage: »Wieviel wollen Sie?«
    »Wie bitte?«
    »Ich lasse mich doch von Ihnen nicht verarschen. Euch Advokaten kenne ich. Ihr seid doch nur hinterm Geld her, das weiß ich.«
    »Nein, bin ich nicht«, protestierte David, den die Unverfrorenheit des Mannes fast aus der Fassung brachte. Man hätte eigentlich erwarten dürfen, daß Otto das Wohl seines Sohnes mehr am Herzen lag. »Es ist nur so, daß die ganze Geschichte nicht recht zusammenpaßt …«
    Jetzt war es am alten Otto, verwirrt zu sein.
    »Soll das heißen, daß Sie nicht aufs Geld aus sind?« Das war unfaßbar.
    »Ich möchte mit Ihrem Sohn sprechen, sonst nichts.«
    »Mit ihm reden? Der kann doch nicht mal …«
    »Dann möchte ich ihn wenigstens sehen.«
    Otto stieß mit der Stiefelspitze auf den Boden und überdachte diesen neuen Aspekt. »Nun ja«, meinte er dann, »wenn es Barney recht ist, dann soll es mir auch recht sein.«
    »Großartig. Könnten Sie dann Barney anrufen und ihm sagen …«
    »Ach, wir haben leider kein Telefon«, erklärte Ottos Frau entschuldigend. »Otto ließ den Anschluß sperren …«
    »Wirst du wohl deine verdammte Klappe halten«, wies er sie wütend zurecht und versetzte ihr einen Stoß. Sie geriet ins Taumeln, fing sich aber wieder. »Ja, ich hab’s rausmachen lassen«, knurrte er.
    »Dann schreiben Sie Barney doch …!«
    »Kann kaum schreiben. Sagen Sie ihm einfach, es wäre okay. Er wird Sie reinlassen. Aber ich begreife nicht, was Sie mit Butch wollen. Jetzt ist er total übergeschnappt. Scheiße, mir wäre lieber, die Gabel hätte ihn damals getötet.«
    »Vielleicht lag es am Mond, daß er gestern durchdrehte?«
    »Mond?« wiederholte Otto erstaunt. Er blinzelte mißtrauisch. Wollte David ihn irgendwie reinlegen?
    »Oder der Alkohol, egal welche Sorte«, erklärte David.
    Katie steckte den Kopf aus dem Fenster und berichtete vom Alkoholgestank in Aggies Haus.
    »Papa sagte, Butch wäre betrunken gewesen, als er und Barney ihn abholten.«
    »Ach, das. Nein, er war nicht betrunken. Den Alkohol gaben wir ihm zur Beruhigung. Das war, nachdem Ben und Barney rüberkamen. Ich dachte mir, Butch würde sich zu Tode fürchten, so allein in einer Zelle eingesperrt. Außerdem hätte er leicht ausbrechen können. Wenn er nur so viel Verstand hätte, daß ihm der Gedanke gekommen wäre.«

 
II
     
     
    Das stimmte. Die Gefängniszelle des Dorfes, seit Menschengedenken unbenutzt, lag im Keller des Wagonwheel-Ladens. Es war das massivste Gebäude des Ortes, mit Ausnahme der Kirche oder des Bestattungsinstitutes, die aus naheliegenden Gründen natürlich für solche Zwecke nicht in Frage kamen. Hercules lagerte im Keller seine Vorräte: Kartons mit Fett, Konserven, Mehlsäcke, Sodawasserkisten und vieles mehr, gestapelt auf Gestellen und in Regalen. Die »Zelle« war nichts weiter als ein schweres Holzgestell, das man mit Drahtgeflecht überzogen und so in einen Käfig verwandelt hatte.
    Barney hatte nicht glauben wollen, daß Otto David tatsächlich erlaubt hatte,

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