Der Sommer der Vergessenen (German Edition)
Stelle. Mit wildem Kampfgeheul sprang er in
die Kapuze. Der Mann stieß einen erschrockenen Schrei aus und ging zappelnd zu
Boden. Es war Darragh, der in die Senke hinab gerutscht war. Er kam auf die
Beine und zielte auf Socke. Da traf ihn eine Kröte mit einem Platsch am
Kopf. Überrascht drehte Darragh sich um. Dann kam Driftwood über ihn. Wie ein
Wesen aus grauer Vorzeit tauchte er zwischen dem Schilf auf. Sein Pelz nass und
voller Entengrütze, die braunen Augen waren von Wut und Ärger geweitet. Darragh
zögerte. Driftwood entstieg dem Wasser und schlug ihm den Bogen aus den Händen.
Der viel größere Neolinga schaute erschrocken drein.
„Was bist
du?“, stammelte er.
„Dein
schlimmster Albtraum“, presste Driftwood hervor. Seine Augen leuchteten dunkel.
Darragh
zückte ein Messer und stieß zu. Doch zu seinem Entsetzen glitt die Klinge durch
das Wesen hindurch wie durch Nebel. Dann löste Driftwood sich auf. Von den Füßen
aufwärts schien der Wind ihn zu verwehen wie eine Sandburg.
Socke war
bei Rolo. Ihr unbekannter Verbündeter brauchte Hilfe. Der verbliebene Neolinga
attackierte ihn mit einem Langschwert. Immer näher drängte er ihn an den Rand
der Senke. Socke rannte los.
Darragh
suchte im Schilf nach Driftwood. „Komm raus!“, brüllte er. „Das ist doch nur
ein feiger Trick!“ Plötzlich hielt er inne. Seine Augen weiteten sich vor
Entsetzen. „Er ist in meinem Kopf. Er ist in meinem Kopf! Was? Nein, das werde
ich nicht tun!“ Und noch während er sprach, vollführte er Bewegungen, die nicht
mehr die seinen zu sein schienen. „Nein!“, brüllte er. Mit weiten, ungelenken
Schritten watete er ins Wasser. Dann tauchte er unter.
Joshua
führte nur ein Kurzschwert. Doch er wehrte sich verbissen gegen Dorns
Schwerthiebe.
„Verräter“,
presste Dorn hervor.
„Du bist der
Verräter“, rief Joshua und parierte die nächste Attacke. Nur noch wenige
Schritte trennten ihn vom Rand der Senke. Doch zu sehr war er auf seinen
Angreifer konzentriert, um das zu bemerken. Ihre Schwerter scharrten klirrend
aneinander. Da kam Socke. Beide Männer hielten inne, als das unbekannte Wesen
mit einem langen Stock in beiden Pfoten auf sie zu rannte. Dorn fand als Erster
wieder zu sich. Mit dem Knauf des Schwertes schlug er Joshua ins Gesicht.
Rolo rollte
sich in die Senke hinab. Er sprang ins Schilf, und schon verloren seine Füße
den Halt. Schwimmend erreichte er den Ertrinkenden. Er fasste ihn bei den
Haaren und zog seinen Kopf über Wasser.
„Hilfe“,
keuchte Darragh. Doch dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Angst wich
Zorn.
„Rolo, hau
ab“, zischte er.
„Driftwood,
bist du irre! Du bringst ihn um!“, brüllte Rolo. „Komm raus aus ihm. Sofort!“
„Diese
Schweine haben mein Volk ermordet!“, brüllte Driftwood.
Darraghs
große Hand umschloss Rolos Hals wie ein Schraubstock.
„Lass los,
oder ich nehme dich mit!“ Rolo blieb nichts anderes übrig als seinen Griff zu
lösen.
„Und jetzt
verschwinde!“
„Dann musst
du mich schon schlagen“, sagte Rolo fest.
Joshua
taumelte getroffen. Dorn holte aus, um ihm den entscheidenden Hieb zu
versetzen. Socke kam im vollen Lauf. Er stach den Stock in den Boden und hob ab
wie ein Stabhochspringer. Mit den Füßen voran traf er Dorn an der Schläfe. Dort
stieß er sich kräftig ab, wechselte die Richtung und bekam den strauchelnden
Joshua an der Schulter zu fassen. Entgegen seiner eigenen Flugbahn gab Socke
ihm einen Schubs. Joshua fand sein Gleichgewicht wieder, aber Socke flog im
hohen Bogen über den Rand der Senke. Doch im letzten Moment streckte Joshua den
Arm und bekam ihn zu fassen. Mit einer kreisrunden Bewegung schleuderte er
Socke herum, der im festen Stand neben ihm landete. Blut lief aus Joshuas Nase.
Dorn lag im Staub und rührte sich nicht. Kotzes Opfer wälzte sich heulend am
Boden.
Driftwood
starrte Rolo mit den Augen seines Gefangenen wütend an. Er fand festen Grund
und stand auf. Wasser tropfte ihm aus Bart und Haaren. Doch Rolo dachte nicht
daran zu verschwinden.
„Wenn du ihn
ertränkst, dann mich auch.“ Und dann umklammerte er Darragh mit Armen und
Beinen, so fest er konnte.
Kotze stieg
aus der verknüllten Kapuze. Seine spitzen Zähne waren blutig. Er leckte mit der
Zunge darüber. Joshua betrachtete ihn und Socke staunend.
„Ich weiß
nicht, ob es daran liegt, dass ich einen Schlag auf den Kopf bekommen habe,
dass ich Euch sehe? Das, oder ich erblicke Besuch aus dem Reich der Schatten
und
Weitere Kostenlose Bücher