Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
Vom Netzwerk:
hängenden Schultern. Schließlich kramte er aus den Untiefen seiner Tasche
getrocknete Pilze und hartes Brot hervor. Mit einem tiefen Seufzer setzte er
sich an den Fuß des Baumes und knabberte sein karges Mahl. Eine Eule hatte sich
in den Ästen des Baumes zur Ruhe begeben. Socke nickte ihr zum Gruß zu, aber
sie schien schon zu schlafen.
    „Da sind
noch mehr da draußen“, murmelte er gedankenverloren. Seine gelben Augen
schienen in eine weit entfernte Zeit zurückzublicken. „Trödel hatte sich nie um
die Angelegenheiten anderer gekümmert. Nur das Geschäft im Kopf gehabt. War
immer auf der Suche nach Schätzen. Wahrscheinlich hat ihm das das Leben
gerettet.“ Socke fröstelte. Es war zu gefährlich, auf der Anhöhe ein Feuer zu
entzünden. Darum kletterte er in den Wipfel des Baumes, um Schutz zu suchen. Er
war so leise, dass die Eule nicht mal mit den Lidern zuckte. Durch das Laubdach
schaute er in den Nachthimmel. Die Wolkendecke war lichter als zuvor.
Wenigstens würde es keinen Regen geben. In der Ebene, inmitten der
Feuchtwiesen, lag die Stadt. Socke sah die zahllosen Flüsse und Tümpel. Seine
Freunde sah er nicht. „Hoffentlich erinnert sich Driftwood an die Magusch, die
das Fell trocknet. Sonst wird er sich erkälten.“ Geschickt hangelte er sich auf
einen der tieferen Äste. Wie von einem Windhauch getragen, landete er neben der
Eule. Ihm war kalt und er war allein. Er schlang die Arme um die Knie und
schlummerte erschöpft ein. Die Eule öffnete die Augen, legte den Kopf schräg
und betrachtete den seltsamen Übernachtungsgast. Sie trippelte ein paar
Schritte, breitete ihre Flügel aus und legte sie wie eine flauschige Decke um
den bibbernden Nachtalb. Wie Socke vermutet hatte, blieb es trocken. Jedoch ein
Tropfen, noch übrig vom Schauer des Abends, hatte auf diesen Moment gewartet.
Er war von Blatt zu Blatt geflossen. Dann hatte er eine Pause eingelegt. Jetzt
geriet er wieder in Bewegung, blieb eine Weile am Rand des Blattes hängen, und
mit einem Platsch landete er auf Sockes Nase. Auftrag ausgeführt. Socke
erwachte. Die Eule war fort, das Morgengrauen bereits nah.
    „Oje, jetzt
aber los.“ Er aktivierte in Windeseile das Baumfernphon („hier klopfen, da
ziehen“). Ganz fest dachte er an Driftwood. Und an Kotze. Dreimal betätigte er
das Symbol des schlecht gelaunten Hundes. Es klopfte.
     
     

Kapitel 14
    Langsam
drangen Geräusche in Rolos dämmerndes Bewusstsein. Er öffnete die Augen. Sein
Kopf brummte wie ein Bienenstock. Er ertastete eine gewaltige Beule über seiner
Schläfe. Die Erinnerung an den Kampf schoss ihm durch den Kopf. Erschrocken
sprang er auf, aber sofort überkam ihn ein Gefühl von Schwindel, und er fiel
ins matschige Gras zurück. Von der Brücke hörte er aufgeregte Stimmen. Eilige
Schritte verwirbelten den Nebel. Niemand bemerkte Rolo. Der Angreifer hatte ihn
fein ausgetrickst, das war nicht zu leugnen.
    „Wie konnte
ich nur auf diesen Hundeblick reinfallen. Nachdem diese haarige Mistvieh Hwarf
erledigt hatte. Hwarf!“ Angst um den kauzigen Wächter überfiel Rolo. Er wusste,
er musste auf sich aufmerksam machen. Er war verletzt und benommen. Außerdem
nass. In seinem Zustand war es nicht ratsam, in der kühlen Luft des
anbrechenden Tages am Flussufer zu liegen. Außerdem zweifelte er an seinem
Verstand. Mit großer Anstrengung stützte er sich vom Boden ab, vornüber auf die
Knie. Wie ein Hund kniete er im Gras, sammelte seine Kräfte. Seine Beine
fühlten sich weich an und zitterten. Er traute ihnen nicht zu, ihn zu tragen.
Auf der Brücke mühten sich die Wachen mit Hwarf ab. Als Rolo gerade genug Atem
gesammelt hatte, um zu rufen, hörte er das Geräusch. Es war ein Summen, vor ihm
im Fluss. Rolo krabbelte auf allen Vieren in die Richtung, in der er die
Ursache vermutete. Da war es wieder! Es kam und ging in kurzen Intervallen. Auf
allen Vieren stieg Rolo in den Fluss. Schon war er bis zu den Schultern
untergetaucht. Das Wasser wurde tiefer, und er kam wieder auf die Beine. Im
Wasser fühlte er sich nahezu schwerelos, und seine geschundenen Muskeln
spielten wieder mit. Außerdem ließ ihn die Neugier allen Schmerz vergessen. Er
tat ein paar schwebende Schritte. Dann stand er ganz still, um die
Wasseroberfläche nicht zu verwirbeln. Das Wasser war klar, und er konnte bis
zum Grund sehen. Dann entdeckte er den Stein. Wie ein Hühnerei sah er aus. Er
vibrierte, und Bläschen stiegen von ihm auf. Rolo tauchte unter und hob ihn
auf. Es war wirklich ein Stein.

Weitere Kostenlose Bücher