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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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Zeit?“
     
    „Äh, guten
Abend, der Herr“, sagte der Mann. Seine Stimme klang wie eine Mischung aus
Kreissäge und Katzenjammer.
    Er verbeugte
sich.
    Belenus
hielt noch das Katzenfutter in den Händen.
    „Äh, ist der
Junge da?“, fuhr der Mann fort.
    Belenus
betrachtete die Besucher. Sie waren nicht besonders groß. Im Gegensatz zu ihm.
Der Akzent war seltsam. Die beiden kamen nicht von hier. Der Mann drückte
seinen Aktenkoffer fest an sich. Krümel und Blätter waren auf seinem dunklen
Anzug. Das Mädchen beantwortete Belenus Blick mit einem höflichen Knicks. Sie
führte einen Hasen an der Leine spazieren. Er mümmelte.
    „Um was geht
es denn?“, fragte Belenus.
    „Äh, es geht
um die Sache .“
    „Um die
Sache ?“
    „Ja, um die
Sache . Die Sache am Tor“, improvisierte Driftwood.
    „Oh, die
Sache am Tor.“ Jetzt war Belenus im Bilde. „Ich dachte, das klärt der Vater
des Jungen gerade in Neunseen. Aber natürlich, es ist viel besser, ihn
persönlich zu befragen.“ Belenus trat beiseite, um die Besucher hineinzulassen.
Dann zögerte er. „Ich wundere mich nur, dass ich Sie nicht kenne? Wie waren
noch Ihre Namen?“
    „Äh, unsere
Namen haben wir noch gar nicht gesagt“, näselte der Mann. „Meine Begleiterin
ist die ehrwürdige Frau Mummelratz. Der Hase heißt einfach nur Hase. Mein Name
ist, äh, Herr Prof. Dr. Doktor.“
    Er muss
immer übertreiben, dachte Socke.
    „Doktor
Doktor?“.
    „Äh, ja,
Doktor Doktor. Komisch, nicht wahr?“
    Geht so,
dachte Belenus. „Mein Name ist Belenus Brock. Und Sie sind hier aus Neunseen?“
    „Äh, nein.
Wir stammen von außerhalb. Von weit her. Von woanders. Wir wurden dazugezogen,
um die Sache zu untersuchen.“
    „Na so was!
Sind Sie von der Polizei?“
    „Äh, genau,
was Sie sagen. Von der Po-li-zei .“ Das unbekannte Wort kam Driftwood
schwer über die Lippen.
    „Na so was.
Bisher kamen wir im Nachtschattental immer gut allein zurecht. Aber gut. Dann
kommen Sie mal rein.“
    Frau
Mummelratz kicherte hinter vorgehaltener Hand. Belenus wunderte sich. Der Hase
hoppelte nicht. Er lief wie ein Hund.
    Vielleicht wieder
so eine moderne Züchtung, dachte er. Aber auch mit Dr. Doktor und Frau
Mummelratz war etwas seltsam. Sie hatten so was Verhuschtes. Unruhig blickten
sie sich um, als sie den halbdunklen Korridor der Farralot betraten. Dr. Doktor
tapste voran, den Aktenkoffer wie einen Schatz an sich gedrückt. Frau Mummelratz
ließ den Blick unaufhörlich schweifen. Wie Äffchen, die ein fremdes Gelände
erkunden, dachte Belenus. Aber er war der Letzte, der nicht ein Herz für
eigentümliche Gestalten hatte. Die glimmenden Wände waren mit Porträts
herausragender Persönlichkeiten und ehemaliger Schulleiter dekoriert. Von der
halbrunden Decke hing ein großer Kronleuchter herab. Vor der zweiflügeligen
Tür, die in die große Halle führte, blieb Dr. Doktor stehen.
    „Äh, sagen
Sie, ist das nicht eine Schule hier?“
    „Richtig.“
    „Äh, es ist
so still?“
    „Ja. Das
neue Schuljahr beginnt erst noch.“
    „Äh, dann
sind Sie ganz allein hier?“
    „Im Moment
bin ich hier und Roland. Und jetzt Sie.“ Belenus stieß die Tür zur großen Halle
auf.
    Frau
Mummelratz seufzte.
     
    Rolo hörte
die Tür. Belenus betrat die Halle, zwei Personen im Schlepptau. Im fahlen Licht
konnte Rolo nur ihre Silhouetten erkennen. Er hoffte, es wären Krah und Onno.
Oder Tinka und Lana? Er konnte die Zwillinge nicht unterscheiden.
    „Kann ich
Ihnen einen Tee anbieten? Herr Doktor? Frau Mummelratz?“
    Die Fremden
traten ins Licht. Rolo stutzte.
    Lemuren
in Abendgarderobe? Einer im Anzug, einer im Kleid. Das einäugige Etwas! Erschrocken taumelte Rolo zurück. Belenus bemerkte es nicht. Er stellte das
Katzenfutter auf den Boden.
    „Miez, miez.
Komm fressen.“
    Dann
überschlugen sich die Ereignisse. Igel huschte herbei. Der Dunkle erschrak fürchterlich beim Anblick des Katers. Er
stieß einen spitzen Schrei aus und warf seinen Koffer nach ihm. Igel wich aus und fauchte. Der Koffer schlug
auf den Boden und sprang auf. Nichts drin, außer einem halben Joghurt und einem
angebissenen Brötchen. Belenus war irritiert.
    „Was bitte
geht hier vor?“
    Das
einäugige Etwas riss sich von der Leine. Knurrend attackierte es den Kater.
    „Was macht
Ihr Hase da?“, wunderte sich Belenus.
    Rolo fasste
sich wieder. „Belenus! Vorsicht!“
    „Schon gut,
Rolo. Ist doch nur ein Mümmelmann.“ Er versuchte, den Hasen bei den Löffeln zu
fassen.
    Blitze
durchzuckten

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