Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
Vom Netzwerk:
Sogar die Krähen reichten Driftwood schon
bis zum Bauch. Doch das schien ihn nicht zu stören. Rolo fragte sich, ob der
schwarze Nachtalb überhaupt mal blinzelte.
    „Lass den
Jungen gehen, oder ich zwinge ich dazu!”, drohte Solomon. Er nahm seinen Stab
kampfbereit in beide Hände. „Jetzt mach hier bitte kein Rambazamba”, sagte
Driftwood ruhig.
    „Solomon,
Vorsicht! Er kann zaubern!“, rief Rolo.
    „Petze!“,
sagte Driftwood.
    „Ich weiß,
mein junger Freund. Doch das kann ich auch!“ Und mit diesen Worten stieß Solomon
seinen Stab so kräftig in die Erde, dass sie bebte.
    Die Krähen
schwangen sich laut krächzend in die Höhe. Das Schlagen ihrer Flügel zwang
Rolo, sein Gesicht abzuwenden, so viel Staub wirbelten sie auf. Blind taumelte
er den Hang hinab und blickte zurück. Von Driftwood war nichts mehr zu sehen.
Die Krähen umschwirrten ihn wie ein schwarzer Tornado. Solomon stand mit
ausgebreiteten Armen da. Er schwang seinen Stab wie einen riesigen
Dirigierstock. Zu Rolos eigener Überraschung sorgte er sich um den
übergeschnappten Nachtalb.
    „Solomon!
Nein!“, rief er über das Kreischen der Vögel hinweg.
    Doch der
Alte reagierte nicht. Endlich senkte er die Arme, und die Krähen zerstreuten
sich in die umliegenden Baumwipfel. Es schien ewig zu dauern, bis sie den Blick
auf Driftwood freigaben. Doch da war nichts mehr zu sehen. Solomon stutzte.
„Nanu? Gefressen mit Haut und Haaren? Meine gefiederten Freunde, davon war
nicht die Rede!“
    Rolo
schauderte. Solomon ging zu der Stelle, wo Driftwood zuletzt stand. Hier türmte
sich das Laub, das in den Sog des Strudels der Vogelflügel geraten war. Mit
seinem Stab stocherte er darin herum. „Nichts übrig? Ist das möglich?“
Plötzlich verschwand der Stab in der Erde. Solomon gluckste überrascht. Er
beugte sich vornüber, um nach der Ursache zu sehen. Mit viel Schwung schnellte
der Stab wieder hervor. Solomon taumelte getroffen zurück und hielt sich die
Stirn. Dann sprang Driftwood aus dem Loch. Er war voll von Laub und Schmutz.
Den Stab in beiden Pfoten holte er weit aus und schlug Solomon mit aller Kraft
auf den Kopf. Der Alte fiel ächzend auf die Knie. Fast wäre Rolo ein Jubelruf
rausgerutscht. Ein zweiter Schlag. Solomon fiel um und rührte sich nicht mehr.
    „Trottel“,
hauchte Driftwood. Er ließ den Stab fallen.
    „Die
Krähen!“, warnte Rolo.
    Aber die
Vögel machten keine Anstalten, sich einzumischen. „Sind nicht die treuesten
Freunde“, sagte Driftwood kühl. „Apropos. Socke?“
    „Hier.“
Socke stieg aus einem Busch.
    Kotze
leuchtete giftig grün.
    „Socke,
bevor du was sagst, ich habe nicht angefangen.“
    „Das kann
ich bestätigen“, bekräftige Rolo.
    „Schon gut“,
sagte Socke. Er tastete Solomon riesigen Kopf mit seinen kleinen Pfoten ab.
Kopfschüttelnd zog er Tücher aus seiner Tasche, die er mit einer grünen Paste
aus einem Einmachglas bestrich. Damit verband er Solomons Wunden. „Brrr!“,
knurrte Kotze.
    „Wenn sie
dich stören, dann jag’ sie doch fort“, meinte Driftwood.
    Das ließ
Kotze sich nicht zweimal sagen. Er rannte den Baumstamm hoch und warf sich
kläffend zwischen die Krähen. Die feigen Vögel suchten sofort das Weite.
Driftwood schaute amüsiert hinterher und zupfte Laub aus seinem Pelz.
    „Wie geht es
Solomon“, fragte Rolo Socke.
    „Der Schädel
dieses Mannes muss ein Fels sein. Sein Glück. Aber Driftwood hat trotzdem ganze
Arbeit geleistet. Dir und mir, uns wäre der Kopf davongeflogen bei diesen
Schlägen.“ „Aber er wird wieder gesund?“
    „Der steht
bald wieder. So bald, dass ich vorschlage, dass wir uns hier nicht länger als
nötig aufhalten.“
    „Gut, dann
Abflug!“, kommandierte Driftwood und schlug wieder die ursprüngliche Richtung
ein.
    Socke
verstaute die Arznei. „Wir gehen jetzt schnurstracks nach Süden. Keine Pause,
keine Umwege. Da ist der Wald alt. Dann warten wir. Leise und friedlich.
Einverstanden?“, fragte er.
    „Ai Ai
Kapitän“, salutierte Driftwood und tauchte ab ins Dickicht.
    Die anderen
folgten ihm.
    „Woher kennt
ihr Solomon?“, fragte Rolo. Er konnte nur gebückt gehen, so dicht waren die
Büsche hier.
    Diesmal
antwortete Driftwood. „Dieser alte Zausel versucht schon seit Ewigkeiten, uns
in die Suppe zu spucken.“
    „Seit
Ewigkeiten?“
    „Solomon ist
eine Pfeife, wenn du mich fragst“, höhnte Driftwood.
    „Allerdings
eine sehr mächtige Pfeife“, ergänzte Socke, der ein Stück hinter Rolo ging.
    „Sah gerade
aber nicht

Weitere Kostenlose Bücher