Der Sommer des Commisario Ricciardi
nicht so leicht zu etwas zwingen lassen würde. Doch es geschah nur zu ihrem Besten, daher würde sie ihren Widerstand zu entkräften wissen, selbst wenn sie sich damit die Zuneigung des Mädchens ein paar Wochen lang verscherzte. Später würde sie schon alles verstehen und ihr dafür danken.
Dazu waren Mütter schließlich gut.
Zum zweiten Mal in drei Tagen klopfte Maione an Bambinellas Tür.
»Brigadiere, na so was! Sagen Sie, darf ich anfangen, Sie für einen Verehrer zu halten? Nächstes Mal bringen Sie mir doch bitte – ja was? – vielleicht eine Blume, Gebäck oder sonst was Nettes mit. Dann sprechen wir mit meiner Mama und bringen alles unter Dach und Fach.«
Maione war noch ganz außer Atem und nassgeschwitzt.
»Du weißt schon, dass mir sogar zum Atmen die Puste fehlt, sonst würde ich dich zum Teufel jagen …
Hör mal, die Wahrheit ist, dass diese Geschichte mit der Herzogin uns große Schwierigkeiten macht. Nicht so sehr der Fall selbst, sondern dass wir uns nicht frei bewegen können.«
Bambinella, wie üblich im Seidenkimono, ging zurück zu dem Tisch, an dem er vor Maiones Ankunft gesessen hatte.
»Schon klar: Presse, Adel, Würdenträger, alle stecken da mit drin. Alles Leute, die man nicht so einfach schnappen und in den Knast werfen kann, wie mich zum Beispiel.«
Als Bambinella sich setzte, sah Maione, dass vor ihm auf dem Tisch eine riesige Portion frittierter Sardellen stand.
»Das darf doch nicht wahr sein! Hier wird ja zu jeder Tages- und Nachtzeit gegessen! Habt ihr euch denn alle gegen mich verschworen? Sobald ich auftauche, fangt ihr an zu futtern? Sogar um drei Uhr nachmittags?«
»Das ist purer Zufall. Ich hatte mittags keinen Hunger. Und dann kam Gigino, der Fischverkäufer von nebenan, der Arme hat kein Geld und zahlt meistens in Naturalien … Von ihm hab ich die Sardellen. Frisch schmecken sie am besten, und bei der Hitze musste ich sie gleich verbrauchen, sonst wären sie verdorben. Warten Sie, ich hole noch einen Teller und eine Gabel, dann können Sie mitessen.«
Maione ließ sich auf das klapprige Sofa fallen und winkte ab.
»Nein, lass nur, ich bin auf Diät. Stattdessen sag mir lieber, was du über Mario Capece und seine Familie weißt.«
In ehrlicher Verwunderung riss Bambinella die geschminkten Augen weit auf.
»Also, dann ist er der Schuldige? Das hatte mir ja schon meine Freundin gesagt. Die, die im Salone Margherita arbeitet …«
Maione hob die Hand:
»Moment mal, das hab ich nicht gesagt. Ich glaube sogar eher nicht, dass er es war, auch wenn er kein Alibi hat. Aber wir müssen alles sehr genau prüfen, um sicher zu gehen. Lass also mal die Spekulationen und sag mir lieber, was du weißt.«
»Das habe ich Ihnen ja schon vorgestern gesagt. Von Capece hat man eigentlich nicht viel gesehen, bevor er was mit der Herzogin hatte. Er war Reporter, ein guter sogar. Dann fing er an, sich mit ihr zu treffen, und wurde zur öffentlichen Person. Allerdings hab ich nie was über ihngehört, ohne dass die Herzogin damit zu tun hatte. Es wurde immer nur über beide gemeinsam gesprochen.«
»Und wann hat die ganze Sache angefangen?«
Bambinella antwortete nicht gleich, da er mit Kauen beschäftigt war.
»Vor fünf, sechs Jahren. Einer halben Ewigkeit. Auf ihre Weise galten sie fast schon als altes Paar; die Geliebte wechselt man ja öfter als die Ehefrau. Bei den beiden allerdings nicht, die waren wirklich lange zusammen.«
Der Polizist wollte mehr über Capeces Leben ohne die Herzogin wissen.
»Was war denn mit seiner Frau und den Kindern? Ist er von zu Hause ausgezogen oder hat er noch bei ihnen gewohnt? Und was hat die Familie dazu gesagt, zum Beispiel seine Eltern?«
Bambinella zuckte mit den Schultern.
»Was soll ich Ihnen sagen, Brigadiere, ich weiß es wirklich nicht. Sicher verbrachte er mehr Nächte mit der Herzogin, kann ich mir denken. Die beiden waren bis zum Morgengrauen unterwegs, Theater, Kino, Restaurants. Und dann hat er ja auch noch gearbeitet, ich glaube nicht, dass da viel Zeit übrig blieb.«
Maione fühlte sich entmutigt.
»Wie kann ich bloß mehr herausfinden?«
Nach einem Augenblick des Schweigens erhellte sich Bambinellas Gesicht.
»Vielleicht kann ich Ihnen doch helfen, allerdings nicht mit aktuellen Informationen. Eine Freundin von mir, ein nettes Mädchen, hat mal für die Capeces gearbeitet. Dann landete sie einen Glückstreffer, sie lernte einen Transportunternehmer kennen … schon gut, Brigadiere, ich habverstanden, ein
Weitere Kostenlose Bücher