Der Sommer des glücklichen Narren
würde auch keine mehr kriegen. Denn welche sollte mir gefallen nach Rosalind? Und wo sollte ich überhaupt den Mut hernehmen, mich noch einmal einer Frau zu nähern? Dazu hatte ich sowieso verflixt wenig Talent. Und überhaupt! Auch einer anderen würde es hier draußen zu einsam und zu primitiv sein, und ich würde ihr zu arm und zu unbedeutend sein, und sie würde – ach verdammt! Und ich wollte auch gar keine. Wenn es nicht Rosalind sein sollte, mit ihren süßen schmalen Hüften und ihren weichen zärtlichen Lippen und … Schluß aber jetzt! Konnte ich denn überhaupt nichts anderes mehr denken?
»Los, Isabel, komm«, sagte ich und legte den Schenkel an. Isabel, die träumerisch am langen Zügel dahingelatscht war, stellte überrascht die Ohren hoch und setzte sich in Galopp. Ich beugte mich tief über ihren Hals und steigerte das Tempo. Eigentlich keine Galoppstrecke, dieser schmale unebene Waldweg. Aber Isabel faßte sicher Fuß, sprang federleicht über den gefällten Baumstamm, der sich uns in den Weg legte, und verringerte das Tempo nicht, als wir aus dem Wald heraus und ins freie Gelände kamen. Sah ich recht? Schon eine gemähte Wiese? Nichts wie drüber. Wir legten einen ausgewachsenen Renngalopp hin, wir beide, der sich auf jeder Rennbahn hätte sehen lassen können.
Am anderen Ende der Wiese genügte ein leiser Pfiff. Sie stand wie angenagelt und schaute sich genau wie ich nach Dorian um, der nicht ganz mit uns hatte Schritt halten können, was ihn immer sehr ärgerte. Meist nahmen wir Rücksicht auf ihn, wenn er dabei war. Auch er kam in gestrecktem Galopp heran und war uns ziemlich dicht auf der Spur geblieben. Als er bei uns war, schenkte er uns keinen Blick und trabte weiter.
»Hö, halt«, rief ich ihm zu. »Mach mal Pause. Du brauchst gar nicht so anzugeben, als wenn dir das nichts ausmacht.« Im Schritt folgten wir ihm in das kleine Tal hinab, wo unten ein silberklarer schmaler Bach fließt, den wir durchquerten, was Isabel sichtlich Spaß machte. Dorian schlapperte ein paar Zungen voll von dem frischen Naß, und dann ging es auf der anderen Seite wieder hinauf. Noch ein Stück Galopp. Und eine gerade lange Trabstrecke zwischen zwei Feldern, dann wieder Wald, kühler Schatten, süße, würzige Luft. Nachgerade wurde es warm. Fast war es ein richtiger Sommertag.
»Wird Zeit, daß wir umkehren«, teilte ich den beiden mit. »Wir sind bald in München drin. Und ich weiß nicht, wie ihr euch im Samstag-Vormittag-Verkehr auf dem Marienplatz ausnehmen würdet. Außerdem habe ich einen Bärenhunger.« Denn gefrühstückt hatte ich noch nicht.
Als wir zum Gstattner-Hof zurückkamen, waren wir fast drei Stunden unterwegs gewesen. Isabel ging fromm wie ein Lamm. Sie war müde. Und Dorian hing die Zunge kilometerweit zum Hals heraus.
»Mei, i hab denkt, du kommst gar nimmer z'ruck«, empfing mich die Mali. »Drei Stunden aufm Gaul, wo eh vorn und hint' nix an dir dran is.«
Ich lachte. »Vielleicht könnte ich dann ein kleines Frühstück haben? Damit was drankommt an mich.«
»Hast am End' no nix gessen heit?«
»Woher denn? Ich bin doch schon um sieben aufgestanden. Da strengt mich das Kaffeemahlen zu sehr an.«
Kopfschüttelnd verzog sich die Mali ins Haus, und ich hörte, wie sie drin dem Andres mitteilte, daß ich doch ein arg spinnerter Teifi sei, ein arg spinnerter aber schon.
Ich bekam ein Frühstück, das mich für diesen Tag der Mühe enthob, Mittagessen zu kochen. Der Andres setzte sich zu mir, und wir vertieften uns in eine hitzige politische Debatte. Später kamen die Töchter aus dem Dorf zurück, und die Älteste brachte mir ein funkelnagelneues Modeheft und wollte meinen Rat für die Fasson des neuen Sommerkleides, das sie sich schneidern wollte. Das setzte mich in Verlegenheit. Früher waren die Mädels mit solchen Problemen zu Rosalind gekommen, die ja auch zweifellos in solchen Fragen kompetent war. Seit Rosalind fort war, mußte ich herhalten. Zweifellos dachten die jungen Damen, als langjähriger Gatte einer so schicken Frau müsse doch ein wenig Sinn für Mode auf mich abgefärbt haben.
Ich tat mein Bestes. Die Resl war allerdings nicht ganz einverstanden mit meinem Vorschlag, einem schlichten, mattblauen Hemdblusenkleid.
»Geh, da is doch gar nix dran«, meinte sie abfällig.
»Das ist ja gerade das Hübsche an dem Kleid«, erklärte ich ihr. »Je schlichter das Kleid ist, um so eleganter ist es. Jede wirklich elegante Frau trägt Sachen von ganz einfachem
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