Der Sommer des glücklichen Narren
du keine Zeit?«
»Ich habe eben keine.«
»Das ist doch Unsinn. Was kannst du denn schon so Wichtiges zu tun haben?«
Das war echt Rosalind. Was ich zu tun hatte, war in ihren Augen nie wichtig.
Ich ging nicht näher darauf ein. »Ich wollte mich bloß mal bei Lix melden. Sie hat mir geschrieben.«
»Ja, das hat sie gesagt, und ich … warte doch, Lix, du hörst doch, daß ich noch mit Paps spreche. Ja, hörst du, Dodo? Die beiden Mädels wollten eigentlich am Wochenende zu dir rauskommen. Aber alle beide auf einmal, das ist ein bißchen viel für dich, fürchte ich. Und ich kann nicht mitkommen, ich habe keinen Wagen. Conny muß übers Wochenende nach Garmisch, da ist ein Geschäftsfreund von ihm, der ist zur Zeit in einem Sanatorium, den will er besuchen. Da werde ich wohl mitfahren.«
»Wir auch, Mami?« hörte ich die Stimme von Lix aufgeregt dazwischenfragen. Sie gab den Besuch bei mir offensichtlich leichtherzig auf. Und daß sie mit der Bahn zu mir hinausfahren könnte, das stand wohl nicht mehr zur Debatte.
»Das weiß ich noch nicht. Nun sei doch still«, sagte Rosalind ungeduldig zu ihrer Tochter. Und dann wieder zu mir: »Das ist ja egal, wann sie zu dir hinauskommen, nicht Dodo? Du bist ja immer da.«
»Ja«, erwiderte ich kurz. Ich war immer da und stand zur Verfügung. Wenn man eben gerade mal Zeit für mich hatte. Und der Wagen frei war. Und nichts Interessanteres vorlag. Aber im Moment kam es mir gar nicht so ungelegen. Vielleicht – man wußte ja nicht, aber vielleicht kam Steffi zu mir hinaus? Vorausgesetzt, sie und Eberhard bildeten nicht inzwischen wieder ein glückliches Paar.
»Na, das sehen wir dann schon«, beschied mich Rosalind. »Du wirst ja merken, wenn wir kommen.«
»Zweifellos«, sagte ich.
»Und wie geht's dir sonst?«
»Das hast du mich schon gefragt. Mir geht es gut.« Und dann konnte ich die Frage nicht unterdrücken: »Sag mal, wohnst du denn jetzt schon da draußen?«
»Aber nein, wo denkst du hin? Was würde das für einen Eindruck machen. Ich bin bloß meist zum Mittagessen da, Conny kommt ja selten heim zum Essen, weißt du. Und ich kümmere mich um die Fratzen. Daß sie auch Schularbeiten machen und so was alles.«
»Aha.«
»Jetzt laß mich mal«, hörte ich Lix wieder sagen.
»Also gut, ist noch was, Dodo? Willst du wirklich nicht zum Kaffee herauskommen? Wir sind ganz unter uns …«
»Nein«, sagte ich, »danke, ich habe nicht viel Zeit. Ich habe noch eine Verabredung.«
»Verabredung?« fragte Rosalind erstaunt zurück. »Mit wem denn?«
Ich ließ eine kleine Pause verstreichen, ohne zu antworten.
»Hallo?« fragte sie.
»Ja?«
»Ich habe dich was gefragt.«
»Ich habe es vernommen.«
»Ach, du willst mir nicht antworten?« Ein kleines verärgertes Lachen. »Na, wie du willst. Anscheinend bist du der Meinung, das geht mich nichts mehr an.«
»Genau das«, sagte ich.
»Du bist albern, Dodo. Also dann, mach's gut. Und bis auf bald.«
Gleich darauf hörte ich Lix vergnügt in den Apparat zwitschern.
»Paps? Warum kommst du denn nicht? Wir könnten hier fein auf der Terrasse sitzen und Kaffee trinken. Und ich habe zwei neue Kleider, die möchte ich dir gern zeigen.«
Rosalinds Tochter. Bald würde sie auch keine anderen Interessen mehr haben als neue Kleider.
»Die werde ich schon noch zu sehen kriegen«, sagte ich. »Tag, meine kleine Lix. Ich gratuliere zu der Eins.«
»Was für eine Eins?«
»In Mathe.«
»Ach so.« Das hatte sie schon wieder vergessen, war ja auch eine ganze Weile her. »Was macht Dorian?«
»Dem geht's gut. Läßt dich grüßen.«
»Wir haben hier keinen Hund«, erzählte Lix. »Das ist eigentlich traurig. Ich habe Onkel Conny schon gesagt, daß ich furchtbar gern einen möchte. Aber er meint, ihn stört das Gebell. Wie findste das?«
»Ja ja«, sagte ich. Ich werde mich hüten, Kritik an Herrn Generaldirektor Killinger zu üben. Wenn ihn das Gebell störte, dann störte es ihn eben. Damit würde Lix sich abfinden müssen. Dafür bekam sie zwei neue Kleider auf einen Fleck.
»Kommst du wirklich nicht?« fragte Lix noch einmal.
»Nein. Jetzt geht es nicht.«
»Und morgen?«
»Ich weiß nicht, ob ich morgen noch in der Stadt bin. Wenn ja, dann rufe ich dich wieder an, und dann könntest du vielleicht am Nachmittag zu Muni zum Kaffeetrinken kommen.«
Lix etwas leiser: »Du willst wohl nicht gern hierherkommen?«
»Nein«, sagte ich.
»Ich verstehe«, sagte Lix. Es klang sehr erwachsen und vernünftig. »Dann
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