Der Sommer des glücklichen Narren
ziemlich am Ende und hatte schon überlegt, wie ich es anstellen sollte, Steffi standesgemäß zu ernähren.
An sich hatte ich vorgehabt, wenn ich Dorian holen ging, ein paar vertrauliche Worte mit Mali zu wechseln.
Etwa so: »Mei, jetzt krieg' ich Besuch am Sonntag und hab' vergessen, was zum Essen zu kaufen.«
Das genügte schon. Daraufhin hätte mir die Mali sicher ein ansehnliches Paket zusammengepackt. Das erübrigte sich jetzt. Aber ich runzelte dennoch die Stirn.
»Das sollen Sie nicht. Sie sind mein Gast, und es ist meine Angelegenheit, für Sie zu sorgen. Ich hatte mir gedacht, daß wir nachher in Ober-Bolching was einkaufen.«
»Das brauchen wir nicht, denn ich habe bereits eingekauft«, erwiderte Steffi friedlich.
»Dann werden wir abrechnen«, beharrte ich eigensinnig.
»Das werden wir nicht«, sagte sie jetzt energisch, »und es wird auch gehen. Und wenn Sie noch ein Wort davon reden, steige ich sofort wieder aus.«
Da der Zug noch am Bahnhof München-Ost stand, hielt ich den Mund. Daß sie eine junge Dame war, die rasche Entschlüsse liebte und mit dem Weglaufen schnell bei der Hand war, wußte ich ja.
Der Zug war heute am Samstag ziemlich voll, und als wir fuhren, kamen wir nicht dazu, uns weiter zu unterhalten. Ich hatte ein paar Zeitungen gekauft, und darin blätterten wir herum. Manchmal blickte ich auf und sah Steffi an, die mir gegenübersaß. Einmal trafen sich unsere Blicke, und sie lächelte. Mir wurde ganz warm ums Herz. Und ein bißchen mulmig war mir auch. Ich hatte so große Worte gemacht und alle möglichen Sicherheiten zugesagt, aber jetzt, wenn ich sie so vor mir sah, kam es mir vor, als wenn es ziemlich schwierig sein würde, standhaft zu bleiben.
Mein Gott, wie lange war ich jetzt allein! Rosalind war im vergangenen Oktober endgültig aus dem Waldhaus ausgezogen. Und seitdem lebte ich allein. Erst war es mir nicht schwergefallen. Ich war auch zu bedrückt und hatte meinen Kummer, weil Rosalind mich verließ. An eine andere Frau hatte ich nicht gedacht. Aber nun … Ja, um ehrlich zu sein, nun dachte ich daran. Sogar recht lebhaft. Ich war frei und ledig, und so alt war ich schließlich auch nicht, und ein Leben mit einer Frau ist eben etwas ganz anderes als ein Leben ohne Frau. Das war sicher. Aber so wie die Dinge lagen bei mir, konnte ich es eigentlich nicht wagen und nicht verantworten, mich an eine Frau zu binden. Ich hatte ja erlebt, was dabei herauskam. Konnte ich noch mal einer Frau das Leben im Waldhaus zumuten? Und Steffi war auch kein Wunderwesen, sondern eine Frau von heute. Warum hatte sie schließlich ihren Eberhard heiraten wollen? Vielleicht auch ein bißchen deswegen, weil er Geld hatte und ein großes Auto und weil sie, wie sie mir erzählt hatte, dann eine hübsche eigene Wohnung bekommen würde. Das Leben hatte nun mal seine Spielregeln, damit mußte ich mich abfinden. Ich konnte mich allenfalls selbst außerhalb stellen, aber einer Frau konnte ich es nicht abverlangen. Ja, ich hatte allerhand zu denken auf dieser Fahrt nach Tanning. Unter anderem dachte ich auch, ob es nicht eine große Torheit gewesen sei, Steffi zu diesem Wochenende einzuladen. Mußte ich mir zu meinem sonstigen Kummer noch einen neuen aufladen?
Zwei Tage zuvor war Lix zu Muni gekommen. Wir hatten zu dritt Kaffee getrunken. Muni hatte einen großartigen Kuchen gebacken, und Lix hatte die ganze Zeil erzählt. Von ihrem neuen Leben. Von Onkel Conny, Frau Boll, der Freundin Dolly, dem feinen Haus, in dem sie wohnte, und den neuen Kleidern, die sie jetzt besaß. Eines davon hatte sie angehabt. Und sie war nicht weniger stolz gewesen als Rosalind mit ihren neuen Kleidern.
Geld! Daß Geld so wichtig war. Aber nur ein Narr konnte behaupten, es sei unwichtig. Ich hatte lange genug den Narren gespielt. Ich konnte für mich allein, nur für mich allein, sagen, mir genüge, was ich hatte, ich brauche nicht mehr. Dann mußte ich auch konsequent allein bleiben.
Als wir in Tanning ausgestiegen waren, sagte Steffi: »Sie haben während der ganzen Fahrt so ein nachdenkliches Gesicht gemacht.«
Und ich erwiderte darauf: »Ich habe auch allerhand nachzudenken.«
Steffi gab mir einen kurzen raschen Blick von der Seite und sagte nichts weiter. Vielleicht fing sie jetzt an, nachzudenken.
Ich holte mein Rad aus dem Schuppen, packte ihren Koffer und die Einkaufstasche darauf, und dann machten wir uns auf den Weg. Zunächst schweigend. Nach einer Weile, als wir den Ort hinter uns hatten und zwischen den
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