Der Sommer des glücklichen Narren
ich lieber da.«
Der Wastl nickte nachdrücklich mit dem Kopf. »Des ko i scho verstenga«, meinte er und zog wieder von dannen.
Wir gingen nicht zu spät schlafen. Und diesmal waren wir ein wenig befangen, als wir uns gute Nacht sagten. Das erstemal, das war etwas anderes gewesen. Vor einer Woche stand eine Attacke meinerseits ganz außer Betracht. Diesmal …? Ich wußte nicht recht, ob meine Zusicherung des freien Geleits von ihr so ganz ernst genommen worden war. Daß ich so meine Hintergedanken dabei gehabt hatte, zum Teufel, ja, ich brauchte mir da selbst nichts vorzumachen.
Ich nahm Steffi bei den Armen und zog sie an mich heran. Und da sagte sie etwas sehr Hübsches.
Sie sah mich an, die hellen Augen wurden dunkler dabei, und ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie sagte: »Bitte, noch nicht …«
Ich küßte sie sanft auf die Wange.
»Schlaf gut«, sagte ich leise.
Als ich im Bett lag, klopfte mein Herz. Und wenn ich mich nicht täuschte, klopfte es glücklich. Noch nicht, hatte sie gesagt. Noch!
Liebe Sonntagsgäste
Einmal des Nachts, als ich aufwachte, hörte ich den Regen auf dem Dach klopfen und in den Bäumen rauschen. Sicher ist es morgen wieder schön, dachte ich und schlief wieder ein.
Am Morgen regnete es immer noch. Sacht und stetig, der Himmel war grau und das Gras um das Waldhaus grün und naß. Ich blieb still im Bett liegen und wartete, bis sich Steffi rührte. Heute sollte sie einmal richtig ausschlafen. Und das tat sie denn auch. Es war halb zehn, als ich sie draußen im Wohnraum herumklappern hörte. Dorian, der schon ungeduldig vor meinem Bett gelegen hatte, sprang sofort auf und drückte mit der Nase die Tür zum Wohnraum auf.
»Gibt's Frühstück?« rief ich.
»Ja, gleich. Stehen Sie nur erst mal auf, Sie Faulpelz.«
Wir frühstückten ausgiebig, und als wir fertig waren, meinte ich: »Wenn es nicht regnen würde, könnten wir einen kleinen Spaziergang machen.«
»Das können wir trotzdem tun«, meinte Steffi. »Ich habe Regen gern. Ich weiß bloß nicht, was ich anziehen soll.«
»Es ist noch ein alter Regenmantel von Rosalind da«, sagte ich zögernd. »Falls Sie den mögen?«
»Na ja«, sagte sie, und es kam etwas langsam heraus.
Verstand ich schon. Keine Frau zieht gern Sachen von einer anderen an.
Ich holte den Mantel aus dem Schrank. Steffi betrachtete ihn ein wenig schief, dann zog sie ihn an. Er war ihr zu kurz und zu schmal über die Schultern, aber es ging einigermaßen. Über ihr Haar band sie sich ein Kopftuch, und dann marschierten wir los.
Im Wald war es nicht so schlimm mit dem Regen, man merkte gar nicht viel davon. Dafür duftete es nach frischer Erde und nassen Blättern.
»Herrlich«, sagte Steffi. »Ich kann schon verstehen, daß Sie gern hier draußen wohnen.«
Wir gingen bis zum Weiher, und ich sagte: »Hier können wir im Sommer baden.«
Darauf verstummte ich überrascht und mußte schnell ein bißchen nachdenken. Es war nicht zu leugnen, ich plante Steffi bereits in mein künftiges Leben ein. Sollte das heißen, daß ich etwa …? Unsinn. Ich kannte Steffi erst so kurz. Seltsamerweise aber kam es mir vor, als kenne ich sie schon lange. Ihre Gegenwart tat mir gut. Rosalind hatte immer elektrische Funken versprüht, in ihrer Gesellschaft war man stets unruhig, gespannt und auch nie ganz sicher, was nun gleich passieren würde. Als ich einmal eine kurze Bemerkung darüber gemacht hatte, lachte Rosalind und sagte: »Darum gerade liebst du mich ja, mein Schatz. Eine Frau darf alles sein, nur nicht langweilig. Sie muß einen Mann ständig in Spannung halten, dann hat sie ihn fest in der Hand.«
Es hatte sich damals schon ein kleiner Widerspruch in mir geregt, aber ich ließ ihn nicht laut werden. Es war besser, mit Rosalind über ein derartiges Thema nicht zu diskutieren. In Sachen Liebe beziehungsweise in der Frage Mann und Frau hielt sie sich und ihre Ansichten für unwiderlegbar und jederzeit zutreffend und kompetent.
Heute dachte ich: Ob sie sich damals nicht doch getäuscht hat? Ist das Gefühl der Ruhe, der Sicherheit, des Friedens unbedingt gleichzusetzen mit Langeweile? Kann man sich nicht einer Frau und einer Liebe sicher sein und dieses gemäßigte Verhältnis vielleicht mehr vertiefen, als wenn man ewig in Spannung lebt, um eine Frau fürchten muß, um ihre Liebe und ihre Zuverlässigkeit? Man wird dann mit sich selbst uneins und vernachlässigt daraus resultierend die eigene Persönlichkeit, und schließlich müssen die eigenen
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