Der Sommer des glücklichen Narren
Feldern entlanggingen, sagte ich: »Vielleicht sollte ich mir doch ein Auto kaufen.«
Steffi lachte: »Haben Sie darüber nachgedacht?«
»Unter anderem.«
»Ein Auto ist natürlich ganz praktisch«, sagte sie sachlich. »Überhaupt für Sie, wenn Sie hier draußen wohnen. Wenn es zum Beispiel jetzt regnen würde, nicht?«
Sicher, wenn es regnen würde. Es regnete zwar nicht, aber es könnte. Der Himmel war bedeckt, und es wehte ein unfreundlicher Wind. Ich war schon oft durch die Felder im Regen geradelt. Allein machte mir das nicht viel aus. Aber man stelle sich vor, wenn es jetzt regnete.
»Dann hätten Sie wahrscheinlich ein für allemal genug von einem Wochenende im Waldhaus«, sagte ich.
Sie überlegte eine Weile, und dann antwortete sie sehr vielsagend: »Das hängt nicht allein vom Wetter ab.«
Eine hübsche Antwort. Sie heiterte mich wieder ein wenig auf. Aber ehe ich dazu kam, weitere dumme Fragen zu stellen, wechselte Steffi das Thema. Sie erzählte mir von ihrer Tante Josefa, die sie am Abend zuvor besucht hatte. »Nach Mutters Tode hat sie sich immer um mich gekümmert. Sie ist der einzige Mensch, dem ich ganz offen alles erzählen kann. Man hat zu wenig Menschen, mit denen man über alles reden kann, nicht?«
Ich nickte. Ja, das stimmte. Sehr wenig Menschen.
»Bei einem Mann«, fuhr Steffi fort, »ist es vielleicht anders. Der hat Freunde. Was eine Frau so für gewöhnlich Freundin nennt, ach, du lieber Gott! Das ist meist eine sehr zweifelhafte Angelegenheit. Ich war eigentlich immer viel allein.«
»Das kann ich mir gar nicht vorstellen«, sagte ich, »ein hübsches junges Mädchen wie Sie.«
»Vielen Dank. Aber so hübsch und vor allem so jung bin ich auch nicht mehr.«
Ich hätte sie gern gefragt, wie alt sie sei, aber das fragt man eine Dame nicht.
So Mitte Zwanzig etwa schätzte ich, und auch darum paßte sie nicht zu mir. Viel zu jung für mich alten Narren.
»Sie sind wirklich ein Kavalier«, lobte mich Steffi.
»Wieso?«
»Nun, weil Sie nicht gefragt haben. Es war Ihnen deutlich an der Nasenspitze anzusehen, daß Sie es gern getan hätten.« Sie lachte und sah mich ein wenig spöttisch an.
»Wirklich?« fragte ich. »Na ja, es ist eine dumme Angelegenheit. Aber Sie sehen ja, ich habe nicht gefragt.«
»Zum Dank dafür werde ich es Ihnen sagen. Ich bin achtundzwanzig. Und als meine Mutter starb, war ich zwanzig. Seitdem lebe ich allein.«
»Ich hätte Sie nicht älter geschätzt als höchstens vierundzwanzig«, sagte ich höflich.
»Vielen Dank. Ein Kavalier, ich sagte es ja.«
»Immer werden Sie doch nicht allein gewesen sein«, kam ich zum Thema zurück.
»Wenn Sie damit Männer meinen, nein, immer war ich nicht allein. Aber ich habe kein Glück in der Liebe, das haben Sie ja miterlebt.«
»Na ja, wegen Eberhard. Wie hat sich das nun eigentlich abgespielt in den letzten Tagen?« Ein bißchen neugierig war ich doch.
»Sehr korrekt, was den täglichen Geschäftsablauf betrifft. Gestern nachmittag hat er sich in meiner Gegenwart telefonisch für heute verabredet. Mit einer gewissen Erika.«
»Erika.«
»Das war die Rache für Mittwoch abend.«
»Genau. Ich saß dabei mit meinem Stenogrammblock und war wütend. Komisch, aber es ist nun mal so. Frauen sind merkwürdige Geschöpfe.«
»Männer auch in dieser Beziehung«, sagte ich. »Es gehört anscheinend dazu, daß man sich gegenseitig verletzt. Auch wenn man es gar nicht gern tut und sich selbst damit am meisten weh tut. Das Klügste, was einer tun kann, ist, der Liebe ganz aus dem Weg zu gehen.«
»Aber kann man denn das?«
Sie sah mich an, und ich sah sie an und sagte dann: »Eben nicht. Und darum ist das Leben so verdammt kompliziert.«
Schweigend und nachdenklich liefen wir weiter. Als wir Ober-Bolching hinter uns hatten, sagte Steffi: »Ich habe es Tante Josefa erzählt, daß mit Eberhard Schluß ist.«
»Und? Was sagte sie?«
»Sie sagte: ›Gott sei Dank, das finde ich ganz in Ordnung. Den Fußtritt, den der kleine Hund bekommen hat, hättest du wahrscheinlich eines Tages auch bekommen.‹ Das ist ja nun übertrieben.«
»Vielleicht hat sie es symbolisch gemeint.«
»Möglich. Sicher sogar. Übrigens habe ich Tante Josefa auch von Ihnen erzählt und daß ich heute hier heraus fahren würde.«
»O weia! Da war sie sicher dagegen?«
»Nein, gar nicht. Sie sagte …« Steffi verstummte und betrachtete interessiert ein paar Kühe, die von der Weide neugierig zu uns herüberäugten.
»Was sagte
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