Der Sommer des glücklichen Narren
aus, als antwortete sie auf meine Frage.
»Nein? Na, vielleicht später. Wenn du älter und vernünftiger geworden bist.«
Mali kam aus dem Haus, um mir guten Morgen zu sagen.
»Hast des Kaibi gesehen?«
»Ja. Hübsch ist sie, die kleine Aurora.«
»Au …?«
»Aurora. So heißt es.«
»Aurora«, sprach die Mali mir sorgfältig nach. »Is des nachher aa no a Name für a Kuh?«
»Warum nicht? Gefällt er dir nicht?«
»I woaß net. Vielleicht gwohnt ma sich dran.«
»Sicher. Du hast dich auch dran gewöhnt, Mercedes zu sagen, nicht wahr?«
Genau wie vorher der Andres gab mir die Mali einen langen Blick. »Wos hat denn des damit z'toa?«
»Nichts. Nichts, ich meine nur. Das eine ist ein spanischer Name, das andere ein griechischer. So wird man international auf dem Lande.«
Der Mali war die Internationalität auf dem Lande nicht so interessant. Etwas anderes interessierte sie mehr. »Hast du ein schönes Wochenende verbracht?« fragte sie mich in gepflegtestem Hochdeutsch.
Aha. Wastl mußte tolle Geschichten erzählt haben.
»Ja«, antwortete ich. »Danke. Ein sehr schönes Wochenende.«
Pause. Dann die Mali: »Das freut mich.«
»Mich auch«, sagte ich und kämmte sorgfältig Isabels langen Schweif.
Darauf folgte wieder ein längeres Schweigen. Mali schluckte die vielen Fragen hinunter, die ihr auf der Zunge lagen. Aber immerhin kam sie zu einem abschließenden Resümee: »Na ja, so alt bist ja aa no net.«
»Eben«, bestätigte ich ernsthaft. Ich wandelte zum Brunnen, tauchte den Schwamm hinein und wusch Isabel das Gesicht. Dabei mußte ich mich auf die Zehen stellen, denn sie streckte den Kopf so hoch, wie sie konnte.
»Des mog's net«, stellte die Mali fest.
»Nein. Genau wie kleine Kinder. Die lassen sich auch nicht gern waschen.«
Fünf Minuten später trabte ich vom Hof, gefolgt von Dorian. Ich würde einen schönen weiten Ritt machen. Der Morgen war herrlich. Anschließend würde ich im Weiher schwimmen und mich dann ohne weiteren Verzug an die Maschine setzen und arbeiten. Heute würde ich gut vorankommen, das wußte ich. Heute und morgen und übermorgen. Und dann kam noch ein Tag, und dann war Freitag. Am Freitag abend würde ich Steffi von der Bahn abholen. Sie würde aus dem Zug steigen, ich würde sie in die Arme nehmen und küssen. Na, vielleicht nicht gerade noch am Bahnhof von Tanning. Vielleicht erst draußen, wenn wir zwischen den Feldern waren.
Bis Freitag abend war es lang hin. Es würde schwer sein, standhaft zu bleiben und nicht in die Stadt hineinzufahren. Aber es ging nicht an, daß ich jede Woche in die Stadt fuhr. Ich mußte arbeiten. Ich mußte mir das Wochenende verdienen. Jeder Tag mußte richtig genutzt werden. Zwei Stunden mit Isabel, eine halbe Stunde am Weiher, dann arbeiten. Und Freitag kam Steffi.
Ich stieß einen Juchzer aus. Herrgott, war das Leben schön. Was hatte die Mali gesagt? »So alt bist ja aa no net.« Alt? Ich fühlte mich wie zwanzig. Ich fühlte mich, als ob ich Bäume ausreißen und die Welt aus den Angeln heben könnte. Und die Sterne vom Himmel holen. Nach lauter solchen Dingen stand mir der Sinn.
Ich legte die Schenkel an, und Isabel begann einen schönen, gestreckten Galopp. Dazu sang ich lauthals: »Ein Jäger aus Kurpfalz, der reitet durch den grünen Wald …«
Für mich wird bestens gesorgt
Nicht nur für diese Woche, gleich für den ganzen Sommer machte ich meine Pläne. Immer so weiter, jeden Tag. Morgens Isabel und der Weiher, dann die Arbeit und ein ungestörtes Wochenende mit Steffi. Vielleicht hatte sie auch mal Urlaub, dann konnte sie ganz zu mir herauskommen. Sie würde hoffentlich nicht den Wunsch haben, nach Italien zu fahren. Aber sie hatte gesagt, es gefiele ihr im Waldhaus. Was konnte ihr woanders geboten werden, was sie hier nicht viel schöner bekam. Frische Luft, grüne Wiesen, Wald und Wasser und ein Mann, der den besten Willen hatte, sie glücklich zu machen.
Hatte ich eine Ahnung, wie turbulent dieser Sommer werden würde? Ich hatte keine. Befürchtete ich, daß meine so schön geplante Zweisamkeit mit Steffi gestört werden könnte? Nicht im geringsten. Dienstag am späten Vormittag, ich hatte mich gerade am Schreibtisch etabliert, mir eine Zigarette angezündet und las mit wachsendem Wohlgefallen, was ich am Tage zuvor gedichtet hatte, wurde ich durch Dorians Bellen und gleich darauf von einem langgezogenen Hupsignal aufgestört.
Ich hob den Kopf, und da sah ich durchs Fenster auch schon Generaldirektors
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