Der Sommer des glücklichen Narren
Natürlich bestand auch die Möglichkeit, daß sie sich mit Eberhard ausgesöhnt hatte und meine Rolle ausgespielt war. Am Spätnachmittag wanderte ich zum Gstattner-Hof hinauf zum Kartenspielen. Ich gewann am laufenden Band. Das bestätigte meine Vermutung, Glück im Spiel – Pech in der Liebe, das war ja altbekannt.
»Du hast ja heut ein unverschämtes Schwein beieinand«, sagte der Andres. »Und dabei machst du ein Gesicht, als hätten dir die Maus' das letzte Brot gefressen. Hat's dich versetzt?«
»Sie hat«, antwortete ich kurz. »Wer gibt?«
»Immer der, wo dumm fragt.« Und wir spielten weiter.
Am Sonntag regnete es in Strömen. Und kalt war es. Der verdammte Kühlschrank, der inzwischen gekommen war, erwies sich als vollkommen überflüssig. Es war zwar mittlerweile Juni geworden, aber man sah den Hauch vor dem Mund. An Schwimmen war nicht zu denken. Und von meinem Morgenritt kam ich pitschnaß nach Hause.
Ich tat es den feinen Leuten nach und trank Whisky. Zum Arbeiten hatte ich keinen Auftrieb, mir war viel zu trübsinnig zumute. Ich hatte eben kein Glück mit Frauen, damit mußte ich mich abfinden. Da hatte ich mir nun eingebildet, dies sei der Anfang einer Liebe, aber für Steffi war es offenbar nicht mehr gewesen als ein flüchtiges Abenteuer, und nun fuhr sie wieder in Eberhards Lokomotive spazieren.
Auch gut. Ich würde nicht mehr daran denken.
Aber ich dachte immerzu daran. Bis dieser endlose Sonntag vorüber war, an dem natürlich überhaupt niemand kam, befand ich mich in tiefschwarzer Mollstimmung. Vorübergehend hatte ich daran gedacht, am nächsten Tag in die Stadt hineinzufahren und Steffi anzurufen. Aber ich brauchte mich ja obendrauf nicht noch lächerlich zu machen. Sie gab mir deutlich zu verstehen, was sie wollte, beziehungsweise, was sie nicht wollte, und damit mußte ich mich zufriedengeben.
Jedoch am Montag vormittag kam Alois, der Postbote, zu mir herausgestrampelt auf seinem Fahrrad und brachte mir eine Karte von Steffi. Es täte ihr sehr leid, aber sie könne ja nicht bei mir anrufen. Tante Josefa sei es am Freitag sehr schlecht gegangen, und in der Nacht zum Sonntag sei sie gestorben. Es wäre alles sehr traurig, und sie sei noch ganz durcheinander. Freitag käme sie dann.
Es war gemein von mir. Tante Josefa war tot, und ich freute mich. Ich rief mich selbst zur Ordnung und fragte den Alois, ob er ein Stamperl Schnaps wolle.
Er wollte. »Warum net?« sagte er und fügte dann höflich hinzu: »A Beileid tät' ich dann auch wünschen.«
»Danke«, erwiderte ich seriös. Daß der Alois die Karten las, die er austrug, war bekannt.
Während wir den Schnaps tranken, philosophierte er: »Mei, dös geht manchmal schnell mit 'm Sterben. Denkst dir nix Schlimms, und auf oamal bist tot.«
»Ja«, sagte ich, »genauso geht es.«
Er schien zu merken, daß ich nicht sonderlich trauerte, und betrachtete mich mißbilligend. Doch dann kam ihm eine Erleuchtung.
»Erbst am End' was?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Die Dame war nicht mit mir verwandt. Es ist die Tante einer Bekannten von mir.«
»Ah so! Nachher! Dann is es ja für dich net so schlimm«, meinte er erleichtert.
»Nein«, sagte ich. »Für mich nicht.«
Getröstet radelte der Alois wieder von dannen.
Bis Freitag zu warten war mir unmöglich. Also startete ich noch am Nachmittag in Richtung München, sehr zum Mißvergnügen Dorians. Vielleicht tat es Steffi gut, wenn ich bei ihr war. Ich wußte, daß sie ihre Tante Josefa sehr gern gehabt hatte.
Als ich im Zug saß, dachte ich noch: Wenn Rosalind wirklich kommt in den nächsten Tagen, werde ich nicht dasein. Das war gut. Hoffentlich denkt sie, daß ich ihr absichtlich aus dem Wege gehe. Vielleicht wird ihr das eine Lehre sein und erspart mir weitere Auseinandersetzungen.
So dachte ich, naiv, wie ich nun einmal war.
Steffi wird entführt
Da ich Steffi abends im Büro nicht anrufen konnte, ging ich zu Ihrer Wohnung. Ich fand das Haus nach einigem Hin- und Herstudieren wieder, wurde von einer mürrisch blickenden Wirtin eingelassen und fand eine betrübte und verweinte Steffi.
Sie ließ sich bereitwillig von mir in den Arm nehmen und schien sich zu freuen, daß ich gekommen war.
»Das ist lieb von dir. Ich komme mir so verlassen vor. Tante Josefa war der einzige Mensch, der mir wirklich nahestand. Der einzige Mensch, dem ich sagen konnte, wie mir ums Herz war.«
»Ich kann das gut verstehen. Irgendeinen Menschen braucht man, mit dem man sprechen kann. Nun,
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