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Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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weine nicht mehr. Erzähle mir von Tante Josefa. Und du bist nicht verlassen. Ich bin ja da.«
    Steffi sah mich eine Weile stumm an. »Wirklich?« fragte sie. »Ist das so?«
    Ich nickte ein wenig beklommen. »Doch. Das ist so.«
    Wir tranken Tee, und sie erzählte von Tante Josefa. Wie sie gelebt hatte, wie sie gestorben war. Und was sie, Steffi, mit ihr erlebt hatte.
    Steffis Vater war im Krieg gefallen. Er war übrigens Tante Josefas Bruder gewesen. Steffis Mutter bekam ein schweres Nervenleiden und war lange krank. Damals hatte Steffi, die noch ein kleines Mädchen war, bei Tante Josefa gewohnt. Sie waren zusammen ausgebombt worden, wurden zusammen aufs Land geschickt, lebten hier bis zum Kriegsende und noch einige Jahre danach. Steffis Mutter stieß dann wieder zu ihnen, sie war wieder gesund, blieb aber bis an ihr Lebensende eine schwermütige, lebensunlustige Frau. Wäre Tante Josefa nicht gewesen, hätte Steffis Jugend noch trübsinniger ausgesehen.
    »Sie war sehr klug, weißt du. Sie wußte viel von den Menschen. Ihr konnte keiner etwas vormachen. Sie hat auch ein schweres Leben gehabt. Sie hat ihren Mann früh verloren und mußte für sich selber sorgen. Aber sie war immer ein lebensbejahender Mensch. Skeptisch, das schon. Sehr kritisch. Aber von einer bewundernswerten Überlegenheit. Man konnte ihr alles sagen. Als ich meine erste große Liebe erlebte und dann so bitter enttäuscht wurde, und meine Mutter starb damals auch gerade, da war es Tante Josefa, die mich wieder zurechtrückte. Sie hat auch dafür gesorgt, daß ich Sprachen lernte, daß ich nach Frankreich ging und in die Schweiz. Überhaupt für alles hat sie gesorgt.«
    »Warum wurdest du enttäuscht von deiner ersten Liebe?«
    »Wie das halt so geht. Ganz alltäglich. Ich war jung und unerfahren. Und ich hatte nichts. Er heiratete dann ein Mädchen aus reicher Familie. Er wollte es sich leichtmachen. Heute ist er übrigens schon wieder geschieden.«
    »Aha.«
    »Ja. Gar nichts Besonderes. Das sagte mir auch Tante Josefa. Sie sagte: ›Jeder muß einmal leiden an der Liebe. Und Glück ist kein Dauerzustand. Und außerdem kann man mit neunzehn Jahren noch gar nicht von Liebe reden. Die kommt erst später.‹«
    »Und Eberhard mochte sie auch nicht?«
    »Nein, gar nicht.«
    Ich schwieg eine Weile und überlegte. »Schade, daß sie mich nicht mehr kennengelernt hat. Ich hätte gern gewußt, was sie zu mir gesagt hätte.«
    »Ich glaube, du hättest ihr gefallen.«
    »Warum denkst du das?«
    »Ich weiß auch nicht, aber ich glaube es.«
    »Ich kann einer Frau nicht sehr viel bieten.«
    »Darauf kommt es nicht an«, sagte Steffi sehr herzlich. »Tante Josefa war der Meinung, daß andere Dinge wichtiger sind. Und du bist ein Mensch, der ihr gefallen hätte.«
    Vielleicht. Mir schien, als hätte auch Tante Josefa mir gefallen, nach allem, was ich von ihr gehört hatte. Als ich noch ein Bild von ihr gesehen hatte, das Steffi mir zeigte, wußte ich es genau. Sie mußte einmal eine schöne Frau gewesen sein. Ein großflächiges, gutgeschnittenes Gesicht, sehr schöne Augen, eine hohe Stirn und ein kleines, ein wenig amüsiertes Lächeln um den Mund, das zu sagen schien: Ich habe es gelernt, wie man das Leben meistert. Du wirst es auch noch lernen, mein Lieber.
    Dies alles veranlaßte mich wohl, Steffi anzubieten, daß ich sie zur Beerdigung begleiten wolle. Vielleicht war es leichter für sie, wenn ein Mann an ihrer Seite war. Vielleicht fühlte sie sich dann nicht so verlassen.
    »Du brauchst nicht«, sagte sie.
    »Ich tue es gern für dich«, erwiderte ich. »Für dich und Tante Josefa.«
    »Danke«, sagte Steffi und küßte mich.
    Muni dagegen begriff nicht, warum ich zu der Beerdigung einer wildfremden Person mitgehen wollte.
    »Ich finde das ja reichlich komisch«, sagte sie.
    »Komisch, liebe Mutter«, sagte ich, »ist es nie, wenn ein Mensch gestorben ist.«
    »Du weißt schon, was ich meine«, antwortete Muni leicht gereizt, während sie meinen dunklen Anzug ausbürstete.
    »Aber du kennst das Mädchen kaum und diese tote Tante gar nicht – ich frage mich, was du eigentlich dabei verloren hast. Das ist doch vollkommen überflüssig, daß du da mitlatschen mußt. Wer geht denn freiwillig auf den Friedhof?«
    Im Gegensatz zu vielen anderen älteren Frauen scheute Muni Friedhofsbesuche. Sie ging nur, wenn es sich durchaus nicht vermeiden ließ.
    »Überflüssig, Muni, sind viele Dinge, die man tut. Und man geht an manchen Ort, an dem man nichts

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