Der Sommer des glücklichen Narren
immer ein anderes zum Salat, vermißte das Ketchup, und ich konnte mir leicht ausmalen, was sie alles beim nächsten Mal heranschleppen würde. Einkaufen war schon immer ihre Leidenschaft gewesen. Und wie sich jetzt zeigte, blieb es nicht nur bei Kleidern, Schuhen und Hüten, sondern erstreckte sich auch auf die Luxusfressalien des gehobenen Lebensstandards.
Bis das Essen fertig war, hatte ich den warmen Sekt restlos ausgetrunken und war davon leicht benebelt. Eigentlich hatte ich jede Nahrungsaufnahme verweigern wollen, aber da ich die Hummerbrötchen sowieso schon gegessen hatte, kam es auf die Schnitzel auch nicht mehr an. Ich trank auch den vorzüglichen Kaffee, den sie anschließend kochte. Das einzige, was ich an Protest aufbrachte: ich blieb schweigsam. Sagte gar nichts oder gab einsilbige, knurrige Antworten.
Rosalind trug es mit einer sanften Duldermiene.
Ehe sie abfuhr, nachdem sie ordentlich abgewaschen und aufgeräumt hatte, legte sie beide Arme um meinen Hals, rieb ihre Wange an meiner und sagte zärtlich: »Ich hab' dich sehr, sehr lieb, Dodo. Vergiß das nie.« Und ihre großen dunklen Augen waren wirklich voller Liebe, ihr Mund ganz weich. Und dann küßte sie mich auch noch. Ich rührte mich nicht. Ich sagte kein Wort.
Unter der Tür stehend, blickte ich dem Wagen nach. Nicht der wortgewaltigste Dichter hätte schildern können, wie mir zumute war. Halb zum Heulen und halb hätte ich mir selbst eine reinhauen mögen. Ziemlich dämlich kam ich mir vor.
Denn etwas hatte Rosalind auf jeden Fall fertiggebracht. Sie hatte alle meine jungfräulich verliebten Gefühle, dazu jeden Gedanken an Steffi restlos vertrieben. Ich beschäftigte mich jetzt ausschließlich mit ihr.
Ich seufzte tief auf, traf Dorians Blick, der neben mir stand und zu mir aufblickte.
»Ich bin der größte Idiot des Jahrhunderts«, teilte ich ihm mit. »Ein ausgemachter Narr, falls es jemals einen gegeben hat.«
Dann ging ich ins Haus und betrachtete die Flaschen, die säuberlich nebeneinander aufgereiht auf meinem Schreibtisch standen, um zu einem Entschluß zu kommen, womit ich mich am besten betrinken konnte. Denn betrinken würde ich mich heute, soviel stand fest.
Versetzt
Bis zum Freitag war ich damit beschäftigt, mein gestörtes Seelenleben wieder einigermaßen ins Gleichgewicht zu bringen und mich auf Steffi einzustellen. Ich war zu dem Entschluß gekommen, ihr von Rosalinds Besuch nichts zu erzählen. Ich mußte allein damit fertig werden. Ich hatte mir genau zurechtgelegt, was ich Rosalind sagen würde, falls sie wirklich wiederkommen sollte. Ganz ernst und vernünftig würde ich mit ihr reden. Ohne Krach, aber in aller Entschiedenheit.
»Ich will keine Feindschaft mit dir«, würde ich ihr sagen, »es ist mir recht und lieb, wenn wir Freunde bleiben, aber bitte per distance. Wir können uns gelegentlich sehen, schon wegen Lix. Aber ich lebe mein Leben, wie ich will, und verbitte mir jede Einmischung von deiner Seite. Und deine Fürsorge verbitte ich mir auch, du hast jetzt für einen anderen Mann zu sorgen. Und ich für eine andere Frau. Und dabei bleibt es.«
So ungefähr.
Ich führte lange und ausführliche Gespräche mit ihr, denn ihre Antworten lieferte meine Phantasie natürlich gleich mit. Jeden Tag aufs neue. Man kann sich denken, daß meine Arbeit dabei nicht sonderlich gedieh. Und überhaupt, stellte ich Freitag morgen fest, hatte ich mich in den vergangenen Tagen viel zuviel mit Rosalind beschäftigt. An Steffi hatte ich kaum gedacht.
Doch im Laufe des Freitags änderte sich das. Ich legte Rosalind gewissermaßen zu den Akten und dachte an Steffi. Ich freute mich auf sie.
Aber Steffi kam nicht. Wir hatten ausgemacht, daß sie Freitag abend mit dem letzten Zug herauskommen würde. Der Zug kam, ein paar Leute stiegen aus, Steffi war nicht darunter.
Dorian, der genauso erwartungsvoll wie ich die Aussteigenden beobachtet hatte, blickte zu mir auf.
»Sie ist nicht gekommen, Freund«, sagte ich. »Vielleicht hat sie den Zug verpaßt und kommt morgen.«
Wir wanderten also den Weg zurück, und das Waldhaus kam mir in dieser Nacht sehr einsam vor. Am nächsten Morgen war ich wieder in Tanning, und als Steffi mit dem Vormittagszug auch nicht kam, blieb ich in Tanning, aß dort zu Mittag und wartete auch die beiden nächsten Züge ab.
Keine Steffi. Hm. So war das also. Möglicherweise tat es ihr leid, was letzten Sonntag geschehen war, und sie gab mir so zu verstehen, daß sie keine Fortsetzung wünschte.
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