Der Sommer des Kometen
Eltern für die Bekanntschaft mit Maria, der Tochter eines Amsterdamer Kompagnons seines Vaters, die den Sommer bei ihrer Tante in der Gröninger Straße verbrachte. Er liebte sie nicht gleich, sein Herz war noch wund, und sein Stolz stellte sich noch geraume Zeit vor jedes zärtlich aufkeimende Gefühl, aber doch sehr bald. Er war bereit gewesen, Gunda zu lieben, sie war verschwunden, nun liebte er Maria. Im Mai 1745 wurde sie seine Frau, und er begann, Gunda zu vergessen. Maria hatte ihm das sehr leicht gemacht.
«Wenn du dachtest, es sei mein Wunsch gewesen, zu reisen, hast du dich nie gefragt, warum meine Eltern mich so plötzlich fortgelassen hatten?»
«Zuerst nicht. Meine Gedanken waren wie gelähmt. Ich glaubte, dass ich mich völlig in dir getäuscht hatte, und ich hatte den Beweis, dass du mich nicht wolltest. Und jetzt? Doch sicher, weil sie nicht wollten, dass du einen Mann heiratest, der nicht zu eurer Kirche gehört. So war das damals, obwohl auch in jenen Jahren schon Ehen über diese unsinnigen Grenzen hinweg geschlossen wurden.»
«So unsinnig finde ich sie nicht.»
Ihre Stimme klang streng und entschlossen, und Claes schaute sie verblüfft an. Wie konnte sie ausgerechnet jetzt, da sie von diesem unerträglichen Betrug und Verrat ihrer Eltern erfahren hatte, an ihre altbackenen Regeln denken?
«Lass uns darüber jetzt nicht streiten, Gunda. Ich muss gestehen, dass in meinem Kopf ein großes Durcheinander herrscht. Ich kam, um für meinen Sohn zu sprechen, und nun fühle ich mich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt, und ich möchte nur für mich selbst sprechen.»
Sie hob abwehrend die Hände, und er schwieg.
«Ich bin sehr erschöpft.» Sie sah ihn an, ihr Gesicht verbarg sich wieder hinter dieser ausdruckslosen Miene, in der er nicht zu lesen wusste, und schien nachzudenken.
«Es gibt nichts mehr zu besprechen, Claes. Nicht nach diesen vielen Jahren. Vorhin habe ich dich um die Wahrheit gebeten», fuhr sie langsam fort, als lese sie von einem Blatt mit schwer entzifferbarer Schrift. «Nun bitte ich dich um dieser Wahrheit willen, meine Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn du sie nicht verstehst. Nein, bitte, lass mich ausreden. Wir haben einander wiedergetroffen, nicht, weil ich oder du es wollten, sondern weil die Welt, in der meine Familie und ich so zurückgezogen leben, doch kleiner ist, als ich dachte.» Sie richtete sich auf und sah ihn wieder wie den Fremden an, als den sie ihn in der Diele begrüßt hatte. «Ich wünsche nicht, und der Kapitän ist derselben Meinung, dass dein Sohn meine Tochter wiedersieht. Und ich wünsche auch nicht, dass wir uns wiedersehen.»
«Das ist doch verrückt, Gunda.» Claes sprang erregt auf. «Ich möchte deine Familie kennenlernen, nach all den Jahren muss das doch möglich sein! Wir sind doch alle aufgeklärte Menschen, und mein Sohn ist ein freundlicher Junge, er ist klug und liebenswürdig, von seinem Erbe will ich nun gar nicht reden.»
«Ich wünsche es nicht, Claes. Und ich erwarte, dass du meine Wünsche dieses Mal akzeptierst.»
«Was heißt hier dieses Mal? Ich habe deine Wünsche immer akzeptiert. Verdammt, sieh mich nicht an, als wollte ich dein Silber stehlen. Wollen wir nicht in ein paar Tagen noch einmal darüber reden?»
Er sprach nun ruhiger und mit bittenden Augen. Sie war nicht mehr das Mädchen, das er geliebt hatte, aber sie war auch keine Fremde, sondern ein verloren geglaubter Teil seines Lebens. Selbst wenn sie sich nicht mehr liebten und nicht mehr viel miteinander gemein hatten, schien es absurd, einander sofort wieder zu verlieren.
«Ich verstehe nur zu gut, dass du viele Jahre lang einen tiefen Groll gegen mich gefühlt hast. Aber jetzt weißt du doch, dass ich genauso betrogen worden bin wie du. Sollen wir den gleichen Fehler machen wie deine Eltern? Wäre es nicht vielmehr ein schönes Geschenk des Schicksals, wenn unsere Kinder das Glück fänden, das uns genommen wurde?»
«Nein!» Sie stand plötzlich aufrecht und steif wie ein Fahnenmast vor ihm. «Das ist unmöglich. Ganz und gar unmöglich. Das kann ich nicht erlauben, und ich bitte dich, nun zu gehen. Und …» Er sah, dass sie verzweifelt nach Worten suchte, «und es hat auch keinen Zweck. Mein Mann ist nicht wohl, nur deshalb sind wir aus Bristol zurückgekehrt. Er hatte gehofft, hier Besserung zu finden, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich kann ihm eine solche Aufregung nicht zumuten. Ich bitte dich, Claes», flehte sie, «geh fort und komme
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