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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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England. Das ist etwas ganz anderes.»
    Gunda wusste genau, dass das gar nichts anderes war, und kam sich billig vor. Ihre Hände waren längst heiß geworden, und sie wünschte sich sehnlichst, dieses Gespräch wäre zu Ende. Wie sollte sie ihrem Kind erklären, was in ihr vorging und was sie wirklich dachte? Wie? «Lass uns einen Vertrag abschließen, Lucia. Wie ehrbare Kaufleute. Liebe ist ein launisches Wesen. Ich weiß, dass du dir das jetzt nicht vorstellen kannst. Aber vertraue einfach meinen Erfahrungen.»
    «Ja, Mama», nickte Lucia, und es fiel ihr nicht ganz leicht. Immer glaubten Mütter, ihre Töchter hätten keine Erfahrungen des Herzens, aber das stimmte nicht. Natürlich war sie schon früher in Bristol verliebt gewesen, in ihren Zeichenlehrer zum Beispiel. Aber als sie erkannte, dass alle Mädchen in ihn verliebt waren und er außerdem nichts als seine eleganten Farbkompositionen und wohlklingenden, leeren Worte zu bieten hatte, war die Liebe blitzschnell verflogen. Sie hatte das sehr bedauert, nicht seinetwegen, sondern wegen dieses erregenden Gefühls, das sie bei seiner Berührung gespürt und ebenso verloren hatte. Und dann war da Sir Geoffrey gewesen …
    «Aber wenn du ihn wirklich liebst», unterbrach ihre Mutter leise ihr Resümee in Sachen Liebeserfahrung, «und wenn er dich wirklich liebt, wird diese Liebe dauern und eine kleine Prüfung leicht überstehen. Versprich mir, dass du ihn vier Wochen nicht sehen wirst. Keine heimlichen Treffen, keine heimlichen Briefe. Wenn du ihn dann immer noch willst, werden wir noch einmal über alles nachdenken.»
    «Vier Wochen. Was hältst du von zwei?»
    «Vier. Keine weniger.»
    Lucia sah wieder über den Fluss, und plötzlich lachte sie hell. «Gut, Mama. Vier Wochen. Das ist doch auch sehr romantisch. Fast wie bei Romeo und Julia, nur dass wir nicht sterben werden. Und wenn er eines Nachts unter meinem Fenster steht und mit der Nachtigall Liebeslieder singt?»
    Sie kicherte vergnügt, und ihre Mutter stellte erleichtert fest, dass in ihrer so erwachsenen Tochter auch noch das Mädchen steckte, das seinen Brüdern vor gar nicht so langer Zeit drei kleine glibberige Frösche in die Waschschüsseln gesetzt hatte.
    Einen Moment überlegte sie, ob das ein kluger Vertrag war, ob sich diese junge Liebe nicht viel leichter als ein Irrtum erweisen würde, wenn die beiden sich möglichst oft sahen. Aber das war letztlich egal. Sie wusste, dass sie diesen Vertrag niemals einhalten würde. Sie musste ihn brechen. Auch wenn es keinen anderen Weg gab, fühlte sie eine tiefe Scham über ihren Betrug.
    Freitag, den 13. Junius,
spätnachmittags
    «Kann ich dich wirklich nicht umstimmen?»
    Lies blickte Matti unsicher an, aber die schüttelte nur lächelnd den Kopf.
    «Aber Rosina hat
mich
um Rat gefragt, und du bist ihr auch durch nichts verpflichtet. Ich sollte …»
    «Du solltest einfach nur vernünftig sein. Setz dich zu mir», sie klopfte auffordernd neben sich auf das Polster des Bettes, «und hilf mir, indem du bei mir bist. Mach nicht so ein Gesicht, meine Alte, ohne dich könnte ich es doch gar nicht tun.»
    «Aber es ist nicht richtig.»
    «Vielleicht nicht, vielleicht doch», Matti lachte leise, und ihre Augen glitzerten, «aber wie sollen wir das wissen, wenn wir es nicht probieren? Für dich ist es zu gefährlich. Du willst es nicht hören, aber ich bin viel gesünder als du. Und stärker. Also werde
ich
es tun. Hab keine Angst, ich werde wieder aufwachen und die Alte sein. Und ich weiß ja, dass du gut auf mich achtgibst. Hast du die Lederbänder bereitgelegt? Es wäre nicht sehr passend, wenn ich dir in diesem Zustand davonliefe.»
    Matti und Lies hatten die Zeichen auf dem Glas gleich erkannt. Sie hatten sie beide seit vielen Jahren nicht mehr gesehen, aber sie wussten, dass es uralte, einstmals heilige Zeichen aus einer Zeit waren, als die Landschaft an der Elbe noch ein unpassierbarer Sumpf war und das erste Kreuz auf der Sandinsel bei der Alster nichts als ein Vorposten des ersten christlichen Kaisers gegen die wilden nördlichen Völker.
    Jede, die diese Salbe kochte, hatte ihr geheimes Rezept, aber ob die Zunge einer Unke, Blut eines neugeborenen Lammes oder feingeschabte Krähenschnäbel in der grauen Salbe verkocht waren, ganz sicher enthielt sie den Saft der Tollkirsche, des Bilsenkrauts oder des Stechapfels. Vielleicht sogar alle drei. Und wenn das stimmte, würde die Salbe Ursache für einen wilden, mal stürzenden, mal hochfliegenden Ritt

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