Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman
junge Mann am Schalter des Südbahnhofs sah mich zweifelnd an, als ich die Fahrkarte nach Athen kaufte, denn er wollte mich davon abbringen, mit dem Zug zu reisen, ich sollte lieber das Flugzeug nehmen, niemand würde sich das antun, die Strecke sei zu lang und zu beschwerlich. Doch das war mir egal, denn ich wollte sehen, was Max damals unterwegs gesehen haben musste. Der Zug war vollgestopft mit Menschen, und ich weiß nur, dass ich froh war, wenig Gepäck bei mir zu haben. Ich war erleichtert, als ich dann endlich nach abwechslungsreichen, aber doch anstrengenden Tagen in Meteora ankam. Ich sehe das Bild der steingepflasterten Terrasse einer Taverne unterhalb der Dorfkirche, Weinreben, die notdürftig gezähmt an Eisenstangen und Drähten entlangwucherten und die einen hellgrünen Schatten spendeten, über mir der seidig weißblau erleuchtete Mittagshimmel im April. Die sanfte Wärme der Sonne an meinen Beinen, die ich nach der Wanderung am Fuße der Felsen müde von mir streckte, kann ich noch wahrnehmen. Es ist, als sei dieser Ort der Klöster, von denen Max oft geschwärmt hatte, tief in meinem Inneren eingegraben. Auf dieser Reise in den Süden habe ich das erste Mal das Meer gesehen, und es war meine erste Begegnung mit Alexander. Ich erinnere mich an den Wirt der Taverne in Kastraki in seiner weißen, speckigen Schürze, bewacht von fünf Siamkatzen, die aufmerksam jeden seiner Handgriffe beobachteten, während er die Spieße mit Lammfleisch in konzentrierter Ruhe wendete. Der Tonfall der kurzen Sätze, die er hinüber zum nächsten Haus richtete, aus dem ein hagerer, leger gekleideter Herr getreten war, verriet Aufmerksamkeit und Respekt. Der Mann trug einen ausgebeulten, unförmigen Strohhut, unter dem sein graues lockiges Haar an den Schläfenseiten hervorquoll. Der weißgraue kurz gestutzte Vollbart erinnerte mich an Gesichter bärtiger Männer, die etwas von der Glaubwürdigkeit von Professoren und Großvätern ausstrahlten. Das Dorf war eingerahmt von steil aufragenden Felsen, deren Kuppen sich hoch in das Blau des Himmels streckte. An die Wiesen und Waldhänge, die zwischen den Steinwänden oberhalb der letzten Häuser des Dorfes zu sehen waren, legte sich intensiv leuchtendes Grün, getupft mit weißen und rosa Blütenbäumen, deren Namen ich nicht kannte. In wenigen Monaten würde die Hitze alles in trockenes, knisterndes Braun verwandeln, an dem sich außer den Ziegen niemand mehr erfreuen würde, zumindest stellte ich mir die Landschaft nach Maxens Erzählungen so vor. Ich hatte Schwarzweißaufnahmen, auf denen er abgebildet war, im Kopf, im Hintergrund eine steppenähnliche Landschaft mit trockenem Gras, und ahnte bereits, wie schnell die üppige Vegetation verschwinden würde. Damals war ich von einer besonderen Stimmung ergriffen, ich konnte mich auf einmal Gedanken an die Vergänglichkeit hingeben, die ich in meiner gewohnten Umgebung nicht wahrgenommen hatte, und mir wurde bewusst, wie rasch die Sommer in den letzten Jahren an mir vorbeigeglitten waren. Ich saß unter südlichem Frühlingshimmel und sog auf, was um mich vorging, sah die bizarre Landschaft, hörte die unzähligen Vogelstimmen, die ich vorher nie gehört hatte, und war dankbar und melancholisch in einem.
In Meteora versuchte ich mir erstmals vorzustellen, wie Max in Uniform in einem Lokal an der Straße saß, rauchte und sich mit anderen Soldaten unterhielt. Als Max 1942 in den Süden verlegt wurde, haben weder er noch ich an Frieden gedacht, nicht an das Meer und den unendlich blauen Himmel. Ich weiß nicht mehr, ob ich mir irgendwelche Vorstellungen machte, als ich mich in Wien vor der Kaserne von ihm verabschiedet habe. Später hat Max in seinen Feldpostbriefen von den Klöstern auf den Plateaus der Felsen um Meteora geschrieben, von den steilen Holztreppen und den Zugnetzen, mit denen die Mönche, was sie zum Leben brauchten, hinaufhievten. Ich habe mir am Fuß der Felsen ein Zimmer in einer Pension bei einer alten Witwe gemietet. Sie hätte mir sicher einiges aus der Zeit des Krieges erzählen können, als die Deutschen hier die Besatzer waren. Jeden Tag wanderte ich um diese Felsen, sah zum ersten Mal eine Landschildkröte und beobachtete eine Anzahl Dohlen, die kapriziös den Aufwind in den schmalen Tälern nutzten. Zwischen den Monolithen erstreckten sich, teils dicht bewachsen mit Gebüsch, alten Eichen und Ahornbäumen, weite Gräben und enge Schluchten, die durch steile, steinige Wege erschlossen waren. Es waren
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