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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sich auch im Laufe dieser Nacht verändert? Frank schaute aus dem Fenster. Der Wind zerrte an der Pforte.
    »Blenda? Das verstehe ich nicht. War sie dort?«
    »Das ist nicht einfach für dich, Frank. Wir wissen ja, wie nahe ihr euch gestanden habt.«
    Wieder verstummte der Sheriff. Frank ließ seinen Kopf auf den Händen ruhen, und nach einer Weile begann er zu weinen. Es waren echte Tränen. Niemand konnte etwas anderes behaupten. Sie ließen ihn weinen. Jetzt war er an der Reihe. Jetzt war er derjenige, auf den Rücksicht genommen werden musste. Es ging um ihn. Frank Farrelli war zu bedauern. Eine Art Wärme breitete sich in ihm aus und ließ seine Fingerspitzen zittern. Das dauerte nicht lange. Er wischte sich die Tränen mit dem blutigen Taschentuch ab. Der Sheriff legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Es war für uns alle ein harter Schlag, Frank. Wir haben eine tolle Frau verloren.«
    »Was hat sie da gemacht?«
    »Das wissen wir nicht so genau. Ich glaube, sie hat da geschmückt. Jedenfalls lagen Kabel und Lichterketten auf dem Boden, soweit wir sehen konnten. So ist die Lage.«
    »So ist die Lage? Was bedeutet das?«
    Erneutes Schweigen und flackernde Blicke, die in der klebrigen Wachstischdecke leuchteten.
    »Blenda und dieser Spencer, die hatten eine Beziehung«, sagte der Arzt. »Deshalb …«
    »Hatten?«
    »Hatten gehabt. Vielleicht hat er es ja wieder versucht. Oder …«
    »Wieder versucht?«
    »Mach es uns doch nicht schwerer, als es ist, Frank. Außerdem bleibt das unter uns, bis die Identifizierung sicher ist.«
    »Ist es nicht sicher, dass es Blenda war?«
    »Oder Bob Spencer? Nein, nichts ist sicher. Da gibt es genügend lose Fäden für einen ganzen fliegenden Teppich. Und wir wollen uns doch nicht noch einmal blamieren, nicht wahr, Farrelli?«
    »Was für lose Fäden?«
    »Na, unter anderem, wo das Feuer begann.«
    »Vielleicht war ein Fehler in den elektrischen Leitungen. Wenn sie für Weihnachten dekoriert hat.«
    »Kann sein. Aber da lag auch ein Benzinkanister. Soweit wir sehen konnten.«
    Der Sheriff nahm seinen Hut hoch, änderte dann aber seine Meinung und legte ihn wieder auf den Tisch.
    »Ich muss dich wohl fragen, wo du letzte Nacht gewesen bist. Und gestern Abend.«
    »Stehe ich etwa unter Verdacht? Kommt ihr hierher und verdächtigt mich, nachdem meine Verlobte tot aufgefunden wurde?«
    »Wart ihr verlobt?«
    »Ja. Wir sind verlobt. Ich meine, wir waren es. Und vielleicht hat das Bob Spencer ja nicht gefallen. Wenn ihr versteht.«
    Frank fing wieder an zu weinen, sein ganzer Körper erzitterte, er hätte sich am liebsten auf den Boden geworfen, das hätte er tun können, alles hätte er tun können, denn er war von einem großen Unglück getroffen worden und war frei. Die Trauer machte ihn frei. Der Sheriff schüttelte den Kopf.
    »Scheiße, Frank. Ich habe keine andere Wahl. Ich werde alles, was nur kriechen kann, befragen, was jeder einzelne gemacht, gesehen, gehört oder geträumt hat letzte Nacht. Ich werde deinen Goldfisch fragen, wo er letzte Nacht war!«
    Frank schaute auf.
    »Mark ist auch tot.«
    Wieder Schweigen. Nur der Wind draußen, der durch die Pforte ein- und ausging. Die Stille war das Schlimmste. Es war schwieriger zu lügen, wenn niemand etwas sagte. Aber Frank log nicht. Das, was er fühlte, war die Wahrheit. Seine Trauer war echt.
    Der Sheriff beugte sich vor.
    »Was hast du mit deiner Hand gemacht, Frank?«
    »Habe mich an Glasscherben geschnitten. Mir ist das ganze Fischglas auf den Boden gefallen.«
    »Na, das war wohl nicht das Schlimmste, was letzte Nacht passiert ist. Magst du uns sagen, wo du gewesen bist?«
    »Bin ein bisschen rumgefahren. Habe bei Blenda geklingelt. Aber sie war nicht zu Hause. Habe auch beim Rathaus vorbeigeschaut. Und in der Autowerkstatt. Und anschließend war ich hier.«
    »Und hast das Goldfischglas fallen gelassen?«
    »Nein, das ist schon ein paar Tage her. Aber es lagen noch ein paar Glasscherben auf dem Boden.«
    »Wann hast du bei Blenda geklingelt?«
    »So gegen elf, denke ich. Aber sie war wie gesagt nicht zu Hause. Jedenfalls hat sie nicht aufgemacht.«
    »Wusstest du nicht, dass sie da draußen dekorieren wollte?«
    »Nein. Das sollte eine Überraschung sein.«
    Der Sheriff beugte sich weiter vor.
    »Das verstehe ich jetzt nicht ganz, Frank. Wenn es eine Überraschung sein sollte, woher hast du es dann gewusst?«
    »Meine Mutter hat es mir erzählt. Ihr kennt sie doch. Muss alles ausplappern. Sie kann nichts für sich

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