Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen
aufgelöstem Gesicht vor Augen, entfernte er sich von den Freunden.
Ihm war seltsam traumartig zumute. Als wenn er gar nicht Nick wäre, sondern als hätte er sich lediglich dessen Körper ausgeliehen und ihn angelegt wie eine fremde Haut, die er nun benutzen würde, um sich zu amüsieren.
Was ihm gründlich misslang.
Eine ganze Weile durchstreifte er mit schnellen Schritten das Bad, rannte gewissermaßen. Seine Haut brannte und ein Schweißfilm klebte an ihm. Ein salziger Tropfen löste sich von seiner Stirn. Er rollte über sein Gesicht wie eine pralle Träne. Nick bemerkte es nicht, weil Linas Leid seine Gedanken ganz und gar ausfüllte. Ein bitteres Ächzen kam gallig aus ihm heraus.
Er ließ die Liegeplätze und Rasenflächen hinter sich. Unbewusst schlug er den Weg zum Schwimmbereich ein. Seine nackten Füße trugen ihn zum Tiefbecken, traten auf den Startblock. In der Hoffnung auf Erfrischung ging sein Körper in Stellung und Nick hechtete, ohne sich vorher geduscht oder abgekühlt zu haben, mit einem Köpper ins Becken.
Um ihn herum spritzte es hell auf, während sein Schädel gegen eine unerwartete Mauer aus Kälte prallte, die er durchbrach.
Es war ein Schock für seinen vor Hitze glühenden Körper, der ihm die Luft aus dem Brustkorb presste. Es hätte Nick nicht gewundert, wenn es gezischt hätte und Dampf aufgestiegen wäre, als das Wasser mit seiner Haut in Berührung kam. Ihm schwindelte. Trotzdem kam er an die Oberfläche, tat einen Atemzug und durchkraulte das Becken.
Er zog Bahn um Bahn. Die Lungen arbeiteten wie Blasebälge. Arme und Beine pflügten durch das Wasser, steif und rotormäßig, was nicht gut war. Sie fühlten sich taub und beinahe durchgefroren an. Nur die Ballung seiner inneren Organe schien noch die richtige Körpertemperatur zu haben.
Nick ignorierte es. Er kraulte und kraulte, bis ein greller Schmerz in der Wade ihn unter der Oberfläche aufschreien ließ. Sofort füllte sich seine Mundhöhle mit Wasser. Es strömte durch den Hals, erstickte seine Lungen und seine rhythmischen Bewegungen verhaspelten sich.
Währenddessen wütete der Krampf in seiner rechten Wade wie ein tollwütiger Köter, der sich dort festgebissen hatte. Nick spürte überdeutlich, dass seine Zehen sich brettsteif vom Fuß abspreizten. Die Qualen ließen ihn hilflos um sich schlagen, kein Körperteil tat mehr, was er tun sollte. Nick ging unter, als wären seine Füße in Beton gegossen.
Das Wasser ließ ihn nicht los, dabei gab es noch nicht einmal eine Strömung, die ihn hätte mitziehen können. Und über sich, scheinbar unerreichbar fern, sah er verschwommen das Leben vorübergleiten.
Hilflos sank er der Tiefe unter sich entgegen, verschluckte noch mehr nach Chlor schmeckendes Wasser, fühlte, dass nun auch der Kehlkopf, seine Lungenflügel und die Bauchmuskeln krampften.
Vor seinen Augen flimmerte es. Und plötzlich war sie da, die unfassbare Möglichkeit zu sterben, zu ertrinken, zwischen all den Menschen, die nichts bemerkten.
Tot.
Ertrunken.
Völlig unbemerkt.
Nein, toste es in ihm. Nein! Nein! Nein!
Er zwang den letzten Rest seines ersterbenden Verstandes, die Kontrolle zu übernehmen, sich trotz Schmerzen und der beginnenden Schwärze vor sich so konzentriert zu bewegen, wie er es im Schwimmunterricht gelernt hatte.
Er zog die Arme durch, schlug mit den Beinen, wieder gleichmäßiger, schließlich beinahe fließend. Er argwöhnte, dass, wenn er nicht ertrank, ihn diese Anstrengung umbringen würde.
Seine Bemühungen gingen eigentümlich langsam vonstatten. Die Sekunden verwandelten sich in zähflüssigen Morast, der seine Bewegungen abschwächte, sie verzögerte. Nick fürchtete, alles könnte umsonst sein.
Doch wie durch ein Wunder ließen die Krämpfe allmählich nach. Er konnte sich wieder kontrollierter bewegen, konnte die Benommenheit, die nach ihm gegriffen hatte, teilweise abschütteln und schaffte es, wenn auch mit schwachen Bewegungen, stetig aufzusteigen. Dennoch blieb der Weg nach oben ein Kampf.
Mit buchstäblich letzter Kraft durchstieß Nick die hellblaue Oberfläche, schaffte es japsend zum Beckenrand, wo er sich völlig fertig aus dem Wasser zog.
Mit geschlossenen Augen blieb er einfach rücklings hingestreckt auf den heißen Steinen liegen. Er verschnaufte, versuchte zu Atem zu gelangen. Die Muskeln an seinen Armen und Beinen zitterten vom Kräfteverbrauch und, ja, auch vor Todesangst.
Und?, rumorte es hinter seiner Stirn. Wo war der Film geblieben? Die
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