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Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen

Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen

Titel: Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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er.
    „Ähm, klar“, entgegnete Nick. „Kann ich mir echt gut vorstellen.“ Insgeheim machte er drei Kreuze und war heilfroh, dass er um dieses zweifelhafte „Vergnügen“ herumgekommen war. Ehrlich gesagt fielen ihm auf Anhieb keine zwei Dinge ein, die noch langweiliger sein könnten, als auf einem Kahn zu sitzen und eine Angelrute zu halten.
    Anschließend ließ Nick die nicht ganz ernst gemeinten Klagen seiner Mutter über sich ergehen, weil er sich nie meldete – keine SMS, keine Mail, kein noch so kurzer Rückruf auf ihre Telefonate hin. Sein schlechtes Gewissen regte sich kein bisschen. Doch immerhin gab er ihr zuliebe ab und zu ein betretenes Geräusch von sich.
    Grundsätzlich fehlte ihm das Verständnis für Vorwürfe dieser Art. Okay, diesmal war es vielleicht was anderes, gestand er sich widerstrebend ein, wegen der Sache mit Lina.
    Aber da sollte seine Mutter bei Marion nachhaken, meinte er – und kürzte das Telefonat ab: „Mir geht’s gut! Wetter ist toll, Hotel gemütlich, Essen super. Grüße vom Mühlenhof, bis bald – Nick.“ Er fiel seiner Mutter im SMS-Stil in ihre Tiraden, milderte die Sätze jedoch mit einem Kichern.
    „He, Nicolas Ritter!“
    Er lachte. „Also gut: „Bis bald – Euer euch vermissender Nick.“
    Jetzt lachte sie ebenfalls, behauptete, er wäre unmöglich und verlangte nach Marion. Er gab den Hörer weiter – damit hatte er aber noch nicht seine Ruhe. Denn später, als er sich in seinem Zimmer herumlümmelte, um zu lesen, kam Thomas zu ihm.
    „Hör mal“, sagte sein Onkel. „Wenn du möchtest, kannst du gerne nach Hause fahren.“
    „Wie meinst du das?“ Nick legte seinen Science-Fiction-Roman achtlos beiseite. Er stand von der Couch auf. „Hat Mama das vorgeschlagen?“
    „Nein.“
    „Papa?“
    „Auch nicht. Wir meinen bloß, du hast es ehrlich versucht mit Lina. Du hast dir viel Mühe gegeben und zeitweise sah es richtig gut aus. Aber jetzt nicht mehr. Und über die Hälfte der Ferien sind vorbei. Wir haben dir genug Zeit gestohlen. Fahr nach Hause zu deinen Kumpels. Du musst uns nicht länger einen Gefallen tun.“
    Nick war sprachlos.
    Zeit gestohlen! Ihnen einen Gefallen tun! Ja, glaubten seine Eltern, glaubten Marion und Thomas und Doktor Schilling, glaubten sie allen Ernstes, er würde es ihnen zuliebe tun?
    In seinen Ohrläppchen kribbelte es.
    Dachte Lina das womöglich ebenfalls?
    „Und Lina?“, fragte er langsam, laut und überdeutlich, als wäre Thomas von einem Moment zum anderen schwerhörig geworden. Oder hätte den Verstand verloren. „Was ist mit ihr?“
    „Nick …“
    „Ich mach’ das für Lina!“ Als er es aussprach, wusste er, dass es hundertprozentig stimmte.
    Er wollte, dass sie auf der Wiese am Bolzplatz bei den anderen Mädchen saß und ihm beim Fußball zuschaute. Sie sollte sich die Rutsche hinunter ins Schwimmbecken stürzen, dass eisblaue Fontänen in die Höhe schossen oder ruhig neben ihm am Beckenrand sitzen, die Füße im Wasser und sich mit ihm unterhalten.
    Nick wollte mit ihr Fahrrad fahren und Tretboot oder einfach nur neben ihr herlaufen, ganz dicht, sodass ihre bloßen Arme sich streiften.
    Sie sollte mit ihm gehen, wohin er noch keinen seiner Freunde mitgenommen hatte: zu den grünen Felsen im Wald, seinen Ferienklippen, wo er ungestört war und wohin sich kaum jemand verlief, weswegen man dort herrlich chillen konnte.
    Er wünschte sich ihre Gegenwart bei seinem Gitarrenspiel und dass sie mit ihm die Texte der Rocksongs, die sie offensichtlich mochte, schmetterte. Ja, schmetterte – nicht summte.
    Und dann, dann wollt er ihr Lachen hören. Er hatte Lina Saizew niemals lachen hören.
    „Ich mache das bestimmt nicht, um einem von euch einen Gefallen zu tun! Darauf kannst du einen lassen. Ihr habt jemanden, mit dem ihr reden könnt!“, fuhr er aufgebracht fort. „Eure Freunde und Verwandten, Nachbarn, Bekannte. Ich sehe dich und Marion immerzu mit Leuten reden und lachen!“ Er ging im Zimmer umher. „Genau wie Mama und Papa. Melania, Bianca, Everest, Miro, Max und Vanessa. Luki, Marvin, Orlando, all die anderen. Und ich. Aber Lina, Lina ist allein.“ Er blieb vor Thomas stehen. „Niemand da, dem sie vertraut, das habt ihr selbst gesagt. Kein Boden unter den Füßen. Ich tu’ es für sie. Und weißt du was?“
    „Was?“
    „Ich tue es, weil ich sie gern habe!“ Diese Erkenntnis floss auf ihn zu wie die Flut, wenn das Meer die Ebbe vertrieb. Ja. Es stimmte. Er hatte Lina Saizew gern. Sehr gern.

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