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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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überstürzten Aufbruch aus Kamenz hatte Luke etwas getan, was er eigentlich unter allen Umständen hatte vermeiden wollen. Er hatte Akito Ono angerufen, seinen früheren Jiu-Jitsu-Lehrer, den einzigen Menschen, dem er hier noch traute. Es hatte ihn so gedrängt, über den Albtraum zu sprechen, in dem er seit sechsTagen gefangen war, dass er schließlich nicht mehr hatte widerstehen können.
    Akito war ein kleiner, sanfter Japaner mit einer ungeheuren Energie, die er nicht nur nutzte, um Jiu-Jitsu zu unterrichten, sondern auch um Bücher über die Heilkraft von Pflanzen und Steinen zu schreiben, japanische Gedichte ins Deutsche zu übersetzen und hin und wieder einen japanischen Garten anzulegen. Als er Lukes Stimme gehört hatte, war ihm vor Freude und Rührung fast die Stimme weggekippt.
    Luke hatte auch zu ihm den Kontakt abbrechen müssen, um ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden. Er hatte sich darauf eingestellt, dass Akito eine Erklärung verlangen würde, doch das war nicht der Fall gewesen. Sein Lehrer hatte nur einen Satz gesagt: »Ich möchte dich sehen.«
    Er hatte keine Ausflüchte gelten lassen, und als Luke ihm verdeutlicht hatte, dass ein Treffen ihn in Lebensgefahr bringen könnte, hatte Akito leise gelacht.
    »Ich bin Träger des zehnten Dan, Alex. Und außerdem Buddhist. Glaubst du wirklich, dass Menschen mir Angst machen können?«
    Akito lebte in Pirna in einem alten Haus Am Plan und Luke hatte schließlich nachgegeben und war zu ihm gefahren. Er hatte Schleifen in die Strecke eingebaut, war kreuz und quer durch die Gegend gekurvt, hatte Pausen eingelegt, um plötzlich mit quietschenden Reifen wieder zu starten und in der nächsten Seitenstraße zu verschwinden. Diesmal musste es ihm gelingen, seinen Verfolgern zu entkommen.
    Zu Akitos Haus gehörte glücklicherweise ein Hof mit einer Garage, sodass Luke seinen Wagen vor neugierigen Blicken verbergen konnte. Akito hatte ihn hineingewunken und Garagen- und Hoftor eilig geschlossen.
    Luke hatte die Freudentränen in Akitos Augen gesehen, auch wenn es seinem Lehrer gelungen war, sie zurückzuhalten, und als sie einander umarmt hatten, war er von einem Gefühl durchströmt worden, wie er es lange nicht mehr empfunden hatte.
    Frieden.
    Sein alter Lehrer und Freund lebte allein, aber er nahm häufig Menschen auf, die Hilfe brauchten. Heute war Luke sein Gast und Luke war dankbar dafür.
    Akito hatte Tee gekocht, selbst gemachtes Ingwergebäck auf den kleinen Tisch im Wohnraum gestellt und Kerzen angezündet, und Luke hatte angefangen zu erzählen. Irgendwann hatten sie sich ein Abendessen zubereitet. Akito hatte die heruntergebrannten Kerzen durch frische ersetzt und sie hatten weitergeredet.
    Vorm Fenster hatten Mücken getanzt. Es war dunkel geworden, und noch immer waren sie hungrig gewesen nach den Geschichten des andern.
    »Es fällt mir schwer, mich an deinen neuen Namen zu gewöhnen«, hatte Akito gesagt.
    »Das macht nichts«, hatte Luke geantwortet.
    Nachdem sein Leben zersplittert war, gab es ihn in so vielen Facetten. Sollte Akito ihn ruhig weiter Alex nennen. Was sie beide verband, reichte weit über ihre Namen hinaus.
    Am folgenden Morgen hatten sie gefrühstückt, und Akito hatte sich auf seinen Unterricht vorbereitet, während Luke sich auf den Weg gemacht hatte, um ein paar Dinge zu erledigen.
    Akito hatte ihm seinen Wagen geliehen, einen alten Nissan mit klapprigen Türen und wackligen Sitzen.
    »Es ist besser, wenn dein Golf unsichtbar bleibt.«
    Luke war nach Dresden gefahren, wo er vor seinem Untertauchen einen Banksafe gemietet hatte. Eine füllige Angestellte hatte ihn in einer Wolke aus Parfüm in den Keller begleitet, ihren Schlüssel im rechten der beiden Schlösser gedreht und sich diskret zurückgezogen. Luke hatte seinen Schlüssel in das linke Schloss gesteckt und die Kassette aus dem Fach herausgehoben.
    Er hatte ihren Inhalt in eine Sporttasche gestopft, die leere Kassette wieder in das Fach geschoben und die Tür zugedrückt. Dann hatte er sich die Tasche über die Schulter gehängt und die Bank mit langen, ruhigen Schritten verlassen.
    Am späten Nachmittag war er zu Akitos Haus zurückgekehrt. Fast war er darauf gefasst gewesen, es verwüstet vorzufinden, doch Kristof und seine Leute hatten entweder seine Spur verloren, oder sie hatten es nicht gewagt, sich mit Akito anzulegen. Sein Haus befand sich inmitten der Altstadt, in der es in den Sommermonaten von Urlaubern wimmelte.
    Luke stieß einen erleichterten

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