Der Sommerfaenger
war, von der er einen Teil abtrennen wollte, damit Ilka dort ihr Atelier einrichten konnte.
Ich nahm die Abkürzung über den Innenhof, wo Smoky geduckt an mir vorbei ins Haus schoss.
Etwas musste ihn erschreckt haben.
Ich sah mich nach Donna und Julchen um, konnte sie jedoch nicht entdecken. Und dann hörte ich Ilkas Stimme, die immer wieder Mikes Namen rief.
Mir wurde wieder schwindlig, und ich blieb kurz stehen, bis die Mauern und die Sträucher aufgehört hatten, sich zu drehen, dann rannte ich auf Ilkas Stimme zu. Obwohl ich mich beeilte, hatte ich den Eindruck, ewig zu brauchen, bis ich endlich im Stall ankam. Als hätte die Angst vor dem, was ich dort finden würde, die Zeit angehalten.
Mike lag auf dem Boden. Ilka kniete neben ihm. Sie hielt sein Gesicht in den Händen und blickte sich schluchzend nach mir um. Ihre Wimperntusche hatte sich aufgelöst und zog zwei traurige Spuren auf ihren Wangen.
»Er macht die Augen nicht auf!«
Sie beugte sich wieder über Mike, rüttelte ihn an den Schultern.
»Mike! Guck mich an! Mike!«
Ich ging auf der anderen Seite neben ihm auf die Knie.
Sein Brustkorb hob und senkte sich kaum wahrnehmbar. Ich fühlte seinen Puls. Er war sehr schwach.
»Ich war in Köln, ein paar Farben kaufen, und dann hab ich zufällig ein Mädchen getroffen, das ich von früher kenne, und wir sind ein Eis essen gegangen und … Ich war viel zu lange weg.«
Sie zog die Nase hoch.
»Und dann lag Mike hier. Ich hab ihn eben erst gefunden.«
Mikes Gesicht war kreidebleich. Seine Haut fühlte sich kalt an.
Mein Handy steckte in meiner Tasche und die hatte ich in der Küche abgestellt. Ich stürzte ins Haus, um einen Notarzt zu rufen.
Als ich zu Mike und Ilka zurückkam, hatte Mike die Augen geöffnet, und Ilka heulte vor Erleichterung. Sein Atem ging schwer. Er schaute an die Decke, als fragte er sich, wie, zum Teufel, er in diese Lage geraten sein mochte.
Plötzlich stöhnte er auf. Es gelang ihm gerade noch, den Kopf zur Seite zu drehen, als er sich auch schon übergab.
»Was ist passiert?«, fragte ich ihn und wischte ihm mit einem halbwegs sauberen Tuch, das in der Nähe gelegen hatte, Erbrochenes von Mund und Kinn.
Er versuchte zu antworten, schloss aber wieder die Augen.
Ilka holte Eimer und Aufnehmer und fing an, sauber zu machen. Offenbar half ihr das, sich zu beruhigen. Als der Notarzt klingelte, machte sie ihm auf.
Der Arzt war noch ziemlich jung und Ilka ließ ihn nicht aus den Augen. Misstrauisch beobachtete sie jeden seiner Handgriffe, als müsse sie sich erst davon überzeugen, dass er überhaupt fähig war, die notwendigen Schritte einzuleiten. Wenn er es bemerkte, versteckte er das gut. Ruhig und sicher untersuchte er Mike und stellte ihm seine Fragen.
Mike konnte sich nicht erinnern, was passiert war.
Schon fing Ilka wieder an zu weinen. Sie weinte, als der Arzt die Wunde am Hinterkopf entdeckte und versorgte. Sie weinte, als er anordnete, Mike ins Krankenhaus zu bringen. Sie weinte, als Arzt und Sanitäter Mike auf einer Bahre festschnallten und hinaustrugen. Sie weinte, als der Arzt ihr anbot, Mike ins Krankenhaus zu begleiten.
Das Letzte, was ich von ihr sah, war ihr verheultes Gesicht mit den verquollenen Augen hinter der Türscheibe des Rettungswagens.
Dann war ich wieder allein.
Allein?
Panisch lief ich ins Haus zurück und verschloss sämtliche Türen. Mir war klar, dass Mike nicht gestürzt war. Jemand hatte ihn niedergeschlagen. Obwohl die Untersuchungen im Krankenhaus das erst bestätigen mussten, wusste ich, dass ich keine Zeit verlieren durfte. Ich nahm mein Handy und wollte die Nummer des Kommissars wählen, als mir eine neue Nachricht angezeigt wurde.
NUMMER VIER. J
Erst als ich mich in meinem Zimmer eingeschlossen und in seinem äußersten Winkel verkrochen hatte, begriff ich etwas, das mein Herz schneller schlagen ließ: Der Mörder hatte seinen ersten Fehler gemacht, denn Mike hatte überlebt.
21
Akito hatte Luke mit einem innigen Lächeln verabschiedet und ihm die Hand aufgelegt, um ihm Kraft und Zuversicht zu geben. Luke hatte sich vor seinem Lehrer verbeugt, wie es sich gehörte, doch dann hatte Akito ihn bei den Schultern gefasst.
»Wer sich selbst bezwingt, ist unbezwingbar. Wirst du das beherzigen … Luke?«
Luke hatte genickt und sich rasch umgedreht, um zu seinem Wagen zu gehen. Akito zitierte oft fernöstliche Weisheiten, und manchmal musste man lange nachdenken, bis man begriff, was er einem sagen wollte. Seinen neuen Namen
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