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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Seufzer aus.
    »Tee?«, fragte Akito. »Mit Chrysanthemenblüten?«
    »Gerne.«
    Wenig später konnte Luke die kleinen getrockneten Blüten auf dem Tee schwimmen sehen. Leise Musik aus Akitos Heimat füllte den Raum mit ihren Klängen. Die Tür zum Garten stand offen. Eine Elster hüpfte über das Gras, auf dem wie Schnee das strahlende Weiß unzähliger Gänseblümchen lag.
    Luke ließ sich von Akito einschenken und betrachtete sein freundliches Gesicht. Es würde seine Freundlichkeit auch dann nicht verlieren, wenn Akito wüsste, was Luke sich in Dresden besorgt und im Kofferraum seines eigenen Wagens verstaut hatte.
    Akito war ein guter Mensch. Er hatte immer geahnt, dass Leo sein Geld mit schmutzigen Geschäften verdiente und dass Luke nicht unbeschadet in seiner Familie aufgewachsen sein konnte. Dennoch hatte er niemals an Luke gezweifelt.
    Er hatte nicht gefragt und keine Forderungen gestellt. Er war einfach da gewesen, wann immer Luke ihn gebraucht hatte.
    »Trainierst du heute Abend mit mir?«, fragte Luke.
    Akito lächelte ihn an und nickte.
    Er brauchte nicht zu wissen, dass sein Gast sich vorbereitete. Vielleicht würde er es spüren, doch er würde sich nicht dazu äußern. Er hatte Lukes Hände und Füße zu Waffen gemacht. Nun war es an der Zeit, sie einzusetzen.
    *
    Auf dem Weg nach Hause beschloss ich, noch ein paar Sachen fürs Abendessen einzukaufen. Ich schob meinen Einkaufswagen durch den Supermarkt und hatte das Gefühl, mich unter Wasser zu bewegen. Alles schien verlangsamt, meine eigenen Bewegungen und die der anderen Leute, selbst die Schlagermusik, die aus den Lautsprechern floss, um die Kauflust der Kunden anzuregen.
    Eine kaum auszuhaltende Traurigkeit drückte mir das Herz zusammen.
    Plötzlich kam es mir völlig absurd vor, überhaupt an Essen zu denken, und als ich mich an der Schlange vor der Kasse anstellte, war mein Einkaufswagen bis auf Salat, Tomaten und Paprika leer. Während ich darauf wartete, dass die Kassiererin ziemlich umständlich eine Stornierung abwickelte, fiel mein Blick durch das Bürofenster des Filialleiters auf den kleinen Fernseher, der knapp über Augenhöhe an der Wand angebracht war.
    Es lief gerade eine Vorabend-Nachrichtensendung, und das Bild schaltete vom Nachrichtensprecher um auf einen Korrespondenten mit langem, dünnem Haar, der ernst in ein Mikro sprach. Wieder wechselte die Kameraeinstellung und LUKE LÄCHELTE MICH AN !
    Nach einer Schrecksekunde machte ich zwei lange Schritte und schob die nur angelehnte Tür auf.
    »… sucht die Polizei nach diesem Mann. Er steht im dringenden Verdacht, einen Studenten in Köln, eine Studentin in Hildesheim und eine Hotelangestellte in Kamenz getötet zu haben. In allen drei Fällen hat ein Smiley …«
    Hinter mir spürte ich eine Bewegung.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Der Filialleiter lächelte mich mit gekünstelter Freundlichkeit an. Seine Augen musterten mich überheblich und kalt. Auf dem Namensschild an seinem weißen Kittel stand L . Kauhacke .
    Wie passend, dachte ich und drehte mich wieder zum Fernseher um.
    »… an die Polizei unter der Nummer …«
    »Hallo? Ich rede mit Ihnen.«
    Der Filialleiter stellte sich zwischen mich und die Wand. Ich konnte das Fernsehbild nur noch zur Hälfte sehen und reckte den Hals.
    Zu spät.
    Lukes Gesicht verschwand und der Nachrichtensprecher widmete sich dem nächsten Thema. Wortlos drehte ich mich um und verließ das Büro, verzichtete auf meine Einkäufe, lief zu meinem Wagen und fuhr los. Erst als ich mich in den Verkehr eingefädelt hatte, gelang es mir allmählich, meine Fassung wiederzugewinnen.
    Noch ein Mord.
    Sie fahndeten nach Luke. Trieben ihn in die Enge wie ein wildes Tier. Die Menschen würden ihn erkennen, wo er sich auch bewegte. Sie würden die Polizei auf ihn hetzen, und das alles im Namen des Gesetzes. Obwohl er unschuldig war.
    Nadelspitz blitzten Zweifel in mir auf.
    Tut mir leid, Luke. Tut mir leid … Verzeih mir. Bitte, es tut mir leid …
    Wie versteinert saß ich hinter dem Steuer. Meine Hände und Füße taten zuverlässig ihre Pflicht und brachten mich nach Hause. Als ich ausstieg, stützte ich mich kurz an der Autotür ab, weil sich alles vor meinen Augen drehte.
    Ich war erleichtert, dass Mikes Fahrrad am Eingang lehnte. Ich musste unbedingt mit jemandem reden.
    »Hi«, rief ich, wie wir das immer taten, wenn wir nach Hause kamen. »Bin wieder da.«
    Mike antwortete nicht, was nur bedeuten konnte, dass er in seiner zukünftigen Werkstatt

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