Der Sommerfaenger
Mädchen auf dem Bidet und diese junge Frau, deren Körper den Fahrstuhl blockierte. Und dann die kurzen, überheblichen Nachrichten.«
»Mit dem hämischen Smiley.«
»Ha ha, said the clown. Verstehst du? Er fühlt sich überlegen. Er spielt mit der Polizei.«
»Warum die Katzen, Isa? Wieso unschuldige Tiere? Die Kollegen vor Ort müssen völlig neben der Spur gewesen sein. Einen haben sie wohl sogar nach Hause geschickt.«
»Ich weiß. Ich habe mit ihm gesprochen.«
Der Bereich fiel nicht mehr in Berts Zuständigkeit. Er vergaß es immer wieder. Falls sich jedoch der Verdacht erhärten sollte, dass das Abschlachten der Katzen tatsächlich in Zusammenhang mit den Smiley-Morden stand, würde sich das ändern.
»Warum die Katzen?«, wiederholte er.
»Das war eine wirkungsvolle Demonstration seines Muts und seiner Kraft.«
»Lukas Tadikken, der sich im Zentrum aller Fälle bewegt, hat doch gar keine Verbindung zu dem Tierheim.«
»Der Täter liebt es, seine Taten kunstvoll zu arrangieren. Der direkte Weg ist ihm zu platt. Er scheint sich zunehmend auf Jette zu konzentrieren und greift sie über die Personen an, die ihr nahestehen. Bei Mike ist es offensichtlich, bei Merle müssen wir um zwei Ecken denken: Sie ist Jettes beste Freundin und sie arbeitet in dem Tierheim. Voilà.«
»Aber aus welchem Grund sollte Lukas Tadikken sich gegen das Mädchen wenden, das er liebt? Denn er hat Jette doch anscheinend sogar verlassen, um sie nicht zu gefährden.«
»Beides kann stimmen, Bert. Möglicherweise ist er schizoid. Dann kann es sein, dass er seine Aggressionen und seinen Selbsthass oder was auch immer ausgerechnet gegen das Liebste richtet, was er besitzt. Andrerseits …«
»Ja?«
»Andrerseits ist auch das Gegenteil denkbar. Dass er Jette vor der Gefahr schützen will, die von ihm selbst ausgeht.«
»Hätte er sie denn nicht am besten dadurch geschützt, dass er sich weiterhin von ihr ferngehalten hätte?«
»Vielleicht war ihm das nicht möglich.«
»Nicht möglich?«
Isa legte eine kurze Pause ein.
»Was, wenn er selbst das Opfer ist, Bert?«
»Wenn er nicht der Täter ist, meinst du.«
»Nein. Was, wenn er das Opfer ist? Und der Täter genießt es, sich Zeit zu lassen und ihn langsam und systematisch von außen nach innen zu zerstören. Das heißt, er nimmt ihm nacheinander alles, was ihm wichtig ist und was sein Umfeld ausmacht.«
»Wir haben doch gerade festgestellt, dass er das Tempo beschleunigt hat.«
»Wer auch immer der Täter sein mag, er befindet sich in einer Art Blutrausch. Er ist trunken von seinen Taten und der Macht, die sie ihm verleihen.«
»Wie kannst du dir so sicher sein, Isa?«
»Sicher? Das Wort solltest du aus deinem Wortschatz streichen, Bert. Nichts auf der Welt ist sicher.«
Die halbe Nacht hatte Bert grübelnd im Wohnzimmer verbracht. Als ihm kalt geworden war, hatte er sich in eine Decke gehüllt und weiter getrunken, leise Musik gehört und seinen Gedanken nachgehangen. Es war für ihn unvorstellbar gewesen, aufzustehen und sich neben Margot ins Ehebett zu legen, unvorstellbar, überhaupt einen Fuß in das Schlafzimmer zu setzen.
Es hätte sich angefühlt, als wäre er einer Fremden zu nahe getreten.
Am Morgen hatte Margot ihn tief schlafend in seinem Sessel im Wohnzimmer vorgefunden und mit Verachtung gestraft. Sie hatte die Kinder genommen und war mit ihnen weggefahren, ohne ihm mitzuteilen, wohin.
Auch die Kinder hatten kein Wort darüber verloren.
Bert hätte gern das Richtige gesagt oder getan, doch er hatte nicht gewusst, was richtig gewesen wäre.
Er hatte geduscht, frische Sachen angezogen und sich nach dem Frühstück mit ein paar Unterlagen auf die Terrasse gesetzt.
Margot hat recht, dachte er bitter. Mittlerweile liebe ich meine Arbeit tatsächlich mehr als sie.
Die Blätter der Bäume spielten mit dem Sonnenlicht und warfen tanzende Schatten auf den Tisch. Bert schob sich die Sonnenbrille auf die Nase und betrachtete, was er geschrieben hatte.
Er umkringelte den Namen Lukas Tadikken und dachte an den jungen Mann, den er vor wenigen Monaten kennengelernt hatte, als Imke Thalheim von einem Stalker verfolgt worden war.
Traute er diesem jungen Mann zu, Menschen zu ermorden und wehrlose Tiere zu massakrieren?
Sein Gefühl sagte: nein. Doch er war bereits zu vielen Mördern begegnet, deren kranke Instinkte sich unter einem unschuldigen, liebenswerten Kindergesicht versteckt hatten.
Bert spürte, wie Nervosität in ihm aufstieg. Dieser Fall musste so
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