Der Sommerfaenger
was er beabsichtigt hatte.
Großes Theater.
Die Puppen tanzten, und zwar nach seiner Musik.
»Die Schlinge zieht sich zu«, flüsterte er in der Stille des Sprinters. »Ich werde dir alles nehmen, was dir wichtig ist, Alex. Und dann, wenn du am Boden liegst, werde ich dein Gesicht in den Staub treten. Das ist Gerechtigkeit, Bruder. Auge um Auge. Zahn um Zahn.«
Ron war mit dem anderen Wagen unterwegs. Er sollte ein paar Kontakte aktivieren, die ihnen jetzt von Nutzen sein konnten. Ron war ein Idiot, doch er tat, was man von ihm verlangte, und meistens machte er es gut.
Kristof hatte ihm eingeschärft, sich zurückzuhalten. Nicht wieder einen solchen Mist zu verzapfen wie im Tierheim.
Ron hatte blöde gegrinst, aber in seinen Augen war leise Angst aufgeglommen. Er würde alles tun, um Kristof zu besänftigen. Er würde es zumindest versuchen.
22
Samstag, vierzehn Uhr. Nicht eben der ideale Zeitpunkt, um seiner neuen Kollegin, die er noch nie außerhalb der Arbeit getroffen hatte, einen Überraschungsbesuch abzustatten.
Bert hatte keine Ahnung, wie Tessa es mit ihrer Freizeit hielt. Ob sie der Typ war, der nach Dienstschluss die Polizistin ablegte und Privatmensch wurde, oder ob sie lediglich den Schreibtisch wechselte und zu Hause weitermachte, wo sie im Präsidium aufgehört hatte.
Möglicherweise empfand sie seinen Überfall als Grenzüberschreitung. Vielleicht freute sie sich darüber. Beides war denkbar. Die Überlegungen waren müßig, denn Bert hatte gar keine Alternative. Sie mussten besprechen, was er von Mike erfahren hatte. Bei dem Tempo, das der Täter vorlegte, ging es längst nicht mehr allein um die Aufklärung seiner Verbrechen, es ging auch darum, weitere Taten zu verhindern.
Tessa wohnte im Willy-Schneider-Weg, nicht weit vom RheinEnergieStadion entfernt. Sie hatte Bert einmal erzählt, dass sie allein lebte, und da er die Preise in Junkersdorf kannte, war er ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie in einer nicht allzu großen Wohnung zur Miete wohnte. Als er jedoch endlich eine freie Lücke für seinen Wagen gefunden hatte und nach der richtigen Hausnummer suchte, wunderte er sich.
Seine Partnerin wohnte in einem von drei Reihenhäusern der gehobenen Kategorie. Der Vorgarten war mit teuren Koniferen bepflanzt und mit einem großen Findling geschmückt. Alles strahlte Modernität und Klasse aus. Tessa Wiefinger stand auf dem Aluschild neben der wohltönenden Klingel. Also lebte Tessa nicht in einer Einliegerwohnung, sie bewohnte das gesamte Haus.
Sie öffnete ihm die Tür mit einem Lächeln auf dem Gesicht, als hätte sie jemand anderen erwartet. Dann, ganz kurz nur, verschwand das Lächeln, um gleich darauf wieder zurückzukehren. Doch diesmal lächelten die Augen nicht mit.
Tessa war komplett überrumpelt.
»Entschuldigen Sie, dass ich einfach so hier reinplatze«, sagte Bert, »aber ich war gerade in der Nähe …«
Es ärgerte ihn, dass er instinktiv zu einer Lüge gegriffen hatte, um sein Erscheinen zu rechtfertigen, doch jetzt konnte er nichts mehr daran ändern.
»Nette Idee«, sagte Tessa und hielt ihm die Tür auf.
Sie trug ausgeblichene Jeans, eine weiße Leinenbluse mit aufgekrempelten Ärmeln und war barfuß. Ihre Füße waren sehnig, schlank und gebräunt. Offenbar liebte Tessa es, auf nackten Füßen zu laufen.
Bis auf die Toilette, die sich anscheinend hinter der Tür rechts vom Eingang verbarg, schien das gesamte Erdgeschoss aus einem einzigen Raum zu bestehen.
Die ultramoderne Küche sah wunderschön, aber unbenutzt aus. Dasselbe galt für das weiße Sofa, das weniger ein Sofa als vielmehr eine Liegelandschaft vor einem ausladenden Flachbildfernseher war. Der flauschige cremefarbene Teppich im Wohnbereich wirkte gänzlich unberührt, als hätte ihn noch nie ein Fuß betreten.
Die Wände waren in einem so hellen Grauton gestrichen, dass sie fast schon weiß wirkten. Der in die Innenwand eingelassene Kamin war ein Kunstwerk für sich, ebenso wie das bis zur Decke reichende Salzwasseraquarium, das die Küche vom übrigen Raum trennte.
Es herrschte eine geradezu sterile Ordnung, die nicht zu dem unaufgeräumten Schreibtisch im Arbeitsbereich passen wollte.
»Wow«, sagte Bert.
Er konnte den Blick kaum von den vielen bemerkenswerten Einzelheiten lösen.
»Kaffee?«, fragte Tessa. »Oder lieber was Kaltes?«
»Kaffee, bitte.«
Er folgte ihr in den Küchenbereich und sah ihr dabei zu, wie sie zwei Tassen und Untertassen aus einem der grifflosen,
Weitere Kostenlose Bücher