Der Sommerfaenger
schnell wie möglich gelöst werden, denn der Täter würde weiter töten.
Sein Hals war trocken. Bert holte sich ein Glas Wasser aus der Küche und setzte seine Überlegungen fort.
Angenommen, Lukas Tadikken war wirklich unschuldig. Wieso führte er dann ein Leben auf der Flucht, statt sich bei der nächsten Polizeidienststelle zu melden und darauf zu vertrauen, dass sich seine Unschuld herausstellen würde?
Nach allem, was sie über ihn herausgefunden hatten, war er nie auffällig geworden. Es konnte also nicht daran liegen, dass er schlechte Erfahrungen mit Kollegen gesammelt hatte.
Warum dann?
»Angenommen, er kennt den Täter«, murmelte Bert. »Angenommen, er hat ihn sich zum Feind gemacht. Und angenommen, dieser Feind ist so mächtig, dass nicht mal die Polizei Lukas Tadikken zuverlässig schützen kann …«
Aber wo geriet man an solche Gegner, außer in der Unterwelt?
Es hielt Bert nicht mehr zu Hause. Er konnte nicht ein ganzes Wochenende auf seinen Überlegungen herumkauen. Eine halbe Stunde später saß er in seinem Wagen und fuhr in Richtung Birkenweiler.
*
Sooft Merle sich auch die Hände und den Körper abschrubbte, das Blut der Katzen blieb daran kleben. Sie fühlte es an den Fingern, den Armen, in den Haaren, im Gesicht.
Immer wieder hatte sie den Aufnehmer in den Eimer mit dem dunkelroten Wasser getaucht, keuchend vor Entsetzen. Immer wieder hatte sie das Wasser gewechselt.
Unerträglich langsam war das Wischwasser heller geworden.
Bis es endlich klar geblieben war.
Sie hatten zu viert geputzt. Den Boden, die Fenster und die Wände abgewaschen, die Körbe und die Katzenklos ausgespült. Sogar an der Decke hatten sie Blutspritzer gefunden und an den Holzbalken des Freigeheges.
Jeden einzelnen Fleck hatten sie entfernt.
Nur den Geruch hatten sie nicht beseitigen können.
Selbst ihr aggressivstes Reinigungsmittel, das so angenehm nach Apfelsine duftete, jedoch nicht mit der bloßen Haut in Berührung kommen durfte, hatte versagt.
Er war geblieben. Der schreckliche Geruch nach Angst und Tod.
Zu Hause hatte Merle geduscht, bis das heiße Wasser aufgebraucht gewesen war. Alle paar Stunden hatte sie sich seitdem unter die Dusche gestellt und mit einer Bürste ihre Hände und Arme bearbeitet, bis sie feuerrot gewesen waren.
Sie roch ihn immer noch, den Tod der Katzen.
Smoky, Donna und Julchen hielten sich von ihr fern, als dünstete sie ihn förmlich aus.
Merle biss die Zähne zusammen. Sie wollte dieses innere Zittern nicht, und sie fürchtete sich vor den Momenten, in denen ihr die Knie weich wurden und von einer Sekunde auf die andere den Dienst versagten.
Jette war nach Bröhl gefahren, um Mike und Ilka, die die Nacht mit ihm im Krankenhaus verbracht hatte, abzuholen. Gegen den Rat der Ärzte, die ihn übers Wochenende zur Beobachtung dabehalten wollten, hatte Mike sich selbst entlassen. Es machte ihn verrückt, untätig im Marienhospital herumzuliegen, während ein Verrückter mit ihm und den Mädchen seine perversen Spiele trieb.
Merle hatte eigentlich vorgehabt, ein Willkommensessen für ihn zu kochen, doch sie hatte sich zu nichts aufraffen können, hatte die ganze Zeit bloß deprimiert bei Klecks gesessen.
Schließlich rief sie beim Chinesen an und bestellte Essen für alle, scharfe Tomatensuppe, Asiatische Gemüsepfanne, weißen Reis, Lychees und gebackene Bananen. Und da es ihr noch nicht gelungen war, die andern zu Vegetariern zu erziehen, überwand sie sich sogar, auch Krabbenbrot und Fleisch zu bestellen.
»Cool«, sagte Mike und drehte sich in der Tür nach dem grauen Passat um. »Da wird sich dieser Typ zweimal überlegen, ob er wieder bei uns einsteigt.«
Er war noch ein bisschen blass um die Nase und hatte ein großes Pflaster am Hinterkopf. Obwohl sie ihm die Haare dort abrasiert hatten, um die Wunde zu nähen, würde es höllisch wehtun, es später wieder abzureißen.
Sie geleiteten Mike zum Tisch wie einen Schwerstverletzten.
»Und jetzt kriegt euch bitte wieder ein.«
Er schüttelte ihre Hände ab und ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
»Ich hab ’ne kleine Platzwunde und ’nen tierischen Brummschädel, das ist alles. Da müsst ihr nicht gleich zu barmherzigen Krankenschwestern mutieren.«
Merle war erleichtert, dass er so glimpflich davongekommen war, und es tat ihr leid, ihm den nächsten Schock zu verpassen. Während sie erzählte, was im Tierheim geschehen war, schweifte sein Blick hilflos durch die Küche, um etwas zu finden, an dem er sich
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