Der Sommerfaenger
gehabt hätte. Die jungen Frauen waren einander vom Typ her sehr ähnlich. Der Professor hat mich darauf gebracht.«
»Hochinteressant«, sagte Röllner. »Vielleicht erfahren wir von den übrigen Heimbewohnern mehr dazu. Aber zuallererst muss die Familie des Opfers benachrichtigt werden …«
»Wenn du willst, übernehme ich das«, bot Bert an. Gleich danach würde er sich wieder auf Jette konzentrieren.
Die Erleichterung des Kollegen war mit Händen greifbar.
Es war eine der schwierigsten Aufgaben in ihrem Beruf, Eltern die Nachricht vom Tod ihres Kindes zu überbringen. Niemand riss sich darum. Die meisten Kollegen hätten klaglos einen kompletten Tag Überstunden vorgezogen.
»Danke, Bert.«
»Schon gut.«
Sie verabredeten, im Laufe des Abends noch einmal miteinander zu telefonieren. Frau Stein hatte in der Zwischenzeit die Adresse von Beckies Eltern beschafft und Bert verließ das St . Marien und programmierte sein Navi. Erneut versuchte er vergeblich, Jette zu erreichen. Aus reiner Gewohnheit wählte er auch noch einmal Tessas Nummer und zuckte überrascht zusammen, als sie sich meldete.
»Wo stecken Sie denn?«, fuhr er sie an. »Ich brauche Sie.«
Er gab ihr die Daten durch und machte sich auf den Weg.
*
Kristof sah sämtliche Felle davonschwimmen. Er hatte keine Ahnung, wie er aus dieser Nummer wieder rauskommen sollte.
»Verdammter Idiot!«, beschimpfte er sich selbst.
Er hatte mit dem Sprinter wieder Position in Birkenweiler bezogen, auf der Rückseite des Bauernhofs, sodass der Bulle in seinem Passat ihn nicht entdecken konnte. Der schien im Übrigen von seinem Job ziemlich angeödet zu sein. Stieg ab und zu aus, um hinter irgendeinem Busch zu pinkeln, und hing ansonsten in seinem Wagen rum, stopfte sich mit Essen voll und führte Dauergespräche auf seinem Handy.
Es war die richtige Entscheidung gewesen, hierherzufahren. Wahrscheinlich wurde Jette gerade von den Bullen befragt. Danach würden ihre Freunde sie nach Hause bringen. Sie würden sich wieder in ihrem Haus einigeln und sich sicher fühlen.
Sicher …
Kristof ließ das Seitenfenster herunter und zündete sich eine Zigarette an. Er lehnte den Kopf an die Nackenstütze und sah der Rauchfahne nach, die sich in den Abendhimmel schlängelte.
Er kriegte das wieder hin. Es gab keinen Grund, an sich zu zweifeln.
Egal, was passierte, Alex war so gut wie tot.
27
Beckies Eltern wohnten in einem kleinen gelben Einfamilienhaus in Bornheim. Der Vorgarten war ein fröhliches Durcheinander von blühenden und verblühten Pflanzen hinter einem halbhohen Zaun aus locker gebundenen Weidenzweigen. Das Haus selbst versteckte sich unter weißen und roten Kletterrosen, die Bert an alte Miss-Marple-Filme erinnerten und an das Schottland Rosamunde Pilchers.
Über dem Garagentor hing ein Basketballkorb, der wahrscheinlich der Grund dafür war, dass fast alle der bunten Tonfiguren, die auf Eisenstangen überall in der Erde steckten, beschädigt waren.
Eine tote Maus, äußerlich unversehrt auf einer der drei Stufen abgelegt, die zum Eingang führten, war der sichtbare Beweis für die Anwesenheit einer Katze. Aus dem gekippten Küchenfenster drang betörender Bratenduft, der Berts Magen knurren ließ.
Tessa zuckte zusammen, als die Tür sich plötzlich öffnete, noch bevor sie den Finger auf den Klingelknopf gelegt hatte. Vor ihnen stand eine Frau Mitte vierzig, die Bert sofort als Beckies Mutter erkannte, so ähnlich war sie ihrer Tochter.
»Guten Abend, Frau Schliemer«, begann er und stockte, als ihm bewusst wurde, wie absurd diese Begrüßung angesichts der Nachricht war, die sie zu überbringen hatten.
Dieser Abend würde sich für immer in die Erinnerungen der Familie einbrennen.
»Mein Name ist Bert Melzig, Kriminalpolizei, und das ist meine Kollegin Tessa Wiefinger. Es geht um Ihre Tochter Beckie.«
Die Frau suchte Halt am Türgriff und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Der Bratenduft signalisierte eine Behaglichkeit, die sich in diesem Moment in Luft aufzulösen begonnen hatte.
»Ist ihr etwas zugestoßen?«
Tessa trat auf sie zu und legte der Frau den Arm um die Schulter. Sie geleitete sie wortlos in das Wohnzimmer und führte sie zum Sofa, auf dem Beckies Mutter sich schwerfällig niederließ.
»Ist sie … mit dem Auto …?«
»Sind Sie allein im Haus?«, fragte Bert sanft.
»Mein Mann holt unseren Sohn vom Fußball ab. Sie müssen gleich hier sein.«
Sie hatte das noch nicht ganz ausgesprochen, als von außen ein
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