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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Schlüssel in das Schloss der Haustür gesteckt wurde.
    »Mama? Wir haben die drei zu eins weggeputzt! Das erste Tor hab ich …«
    Der Junge war etwa dreizehn, vierzehn Jahre alt. Sein Trikot war ihm ein bisschen zu groß und hing ihm über die Hose. Seine Beine waren schmutzig. Auf einem seiner Knie klebte ein Pflaster, das sich an der Seite zu lösen begann.
    Als er sah, dass Besuch da war, blieb er auf der Türschwelle stehen. Sein Blick irrte befangen zwischen seiner Mutter und den beiden Fremden hin und her und blieb schließlich auf dem Gesicht seiner Mutter liegen.
    »Das duftet ja köstlich! Können wir bald essen? Wir haben einen Bären…«
    Herr Schliemer, der hinter seinem Sohn ins Zimmer trat, bemerkte sofort, dass mit seiner Frau etwas nicht stimmte.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Beckie …«
    Mehr brauchte seine Frau nicht zu sagen. Er sank neben ihr auf das Sofa und nahm ihre Hand. In seinem Gesicht zuckte ein Muskel. Es war die einzig erkennbare Regung unter der Maske des starken Mannes, mit der er sich vor dem, was kam, zu schützen versuchte.
    Bert räusperte sich. »Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tochter …«
    »Nein.«
    »Herr Schliemer, ich …«
    »Nein!«
    Die Maske splitterte.
    »Ich habe heute Morgen noch mit ihr telefoniert.«
    Diesen Satz hörte Bert immer wieder. Die Leute gingen hinter ihm in Deckung wie hinter einem Schutzschild. Mit wenigen Sätzen und so behutsam wie möglich schilderte er, was vorgefallen war. Danach herrschte Stille.
    Tessa räusperte sich. »Gibt es vielleicht irgendjemanden, der für eine Weile hierher kommen kann? Es wäre sicher besser, wenn Sie nicht allein …«
    »Meine Großeltern.«
    Der Junge stand immer noch bei der Tür. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und hielt es hoch. »Soll ich sie anrufen?«
    Er war blass und stand sichtbar unter Schock, aber er war als Einziger aus der Familie noch handlungsfähig. Seine Mutter war völlig in sich selbst verkapselt. Sie hielt ihren Körper umschlungen und schaukelte vor und zurück, während ihr Mann unter einem tonlosen Weinkrampf zusammenbrach.
    »Tu das«, sagte Bert.
    Der Junge hielt das Handy ans Ohr.
    »Oma, könnt ihr kommen? Beckie ist tot.«
    Der Junge beendete das Gespräch und wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Die Geste hatte etwas Endgültiges. Mit ihr hörte seine Kindheit auf.
    »Sie hat sich so über ihre erste eigene Wohnung gefreut …«
    In einem hilflosen Versuch, ihn zu trösten, berührte Bert den Jungen leicht an der Schulter.
    Aus der Küche zog Brandgeruch ins Zimmer. Tessa lief hinaus und Bert hörte sie in der Küche mit Geschirr und Wasser hantieren.
    »Angebrannt«, sagte sie, als sie ins Wohnzimmer zurückkam. »Das Fleisch. Ich hab alles abgedreht.«
    Niemand antwortete ihr.
    Der Junge öffnete die Terrassentür, überquerte schlafwandlerisch langsam den Rasen, der eher eine Wiese war, schob die Zweige der prächtig blühenden Hortensien am Ende des Gartens auseinander, zwängte sich zwischen ihnen hindurch und verschwand.
    Bert hoffte, dass er da draußen gute Freunde hatte.
    »Kommen Sie«, sagte er leise zu Tessa.
    Hier gab es für sie nichts mehr zu tun.
    *
    Luke sah müde aus und völlig erschöpft. Sein Lächeln war traurig und so, als traute es sich nicht richtig hervor. Dunkle Bartstoppeln erzählten eine Geschichte, in der es keinen Platz für mich gegeben hatte.
    Er nahm mein Gesicht in beide Hände und streichelte es mit seinen Blicken.
    »Du darfst mich nie wieder verlassen«, sagte er und küsste mich.
    Dann drückte er mich an sich, als wollte er mich nie wieder loslassen.
    »Ich?«, nuschelte ich an seiner Halsbeuge. » Ich habe dich verlassen?«
    Wie sehr ich mich danach gesehnt hatte, ihn zu spüren, seinen Geruch einzuatmen, seine Hände auf der Haut zu fühlen.
    »War es nicht umgekehrt?«
    Statt mir zu antworten, küsste er mich noch einmal.
    »Wir müssen weg«, sagte er und zog mich in das Blockhaus. Er blieb beim Fenster stehen, von wo aus er die Lichtung im Blick hatte, und sprach über die Schulter mit mir. »Jetzt gleich. Wir dürfen keine Sekunde verlieren.«
    »Wie meinst du das – weg?«
    Ich hatte mich auf die Holzbank gesetzt. Zwischen uns lagen bloß ein paar Schritte, aber ich hatte das Gefühl, Luke war meilenweit von mir entfernt. Er schien vor Energie zu vibrieren. Es war keine gute Energie.
    Er wirkte rastlos und angespannt.
    »Das erklär ich dir auf der Fahrt.«
    »Nein, Luke. Das erklärst du mir bitte

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