Der Sommerfaenger
er reich geworden war und jährlich reicher wurde. Still und leise gingen er und seine Leute ihren schmutzigen Geschäften nach, kauften sich Politiker, Richter und Polizisten und erweiterten unauffällig ihr Revier.
Das Mädchen verließ geräuschlos das Zimmer. Den Duft ihres ein wenig zu süßen Parfüms ließ sie zurück. Luke konnte es noch riechen, als er sich wieder hinlegte, diesmal um die ganze Nacht durchzuschlafen. Es tröstete ihn und vermittelte ihm die Illusion, nicht ganz allein zu sein.
19
Ist ihre große Liebe ein brutaler Mörder?
Die Schlagzeile sprang Bert an, als er das Frühstückszimmer der Pension betrat, in der er abgestiegen war. Doch er kam nicht an die Zeitung heran, weil sie gerade von einem anderen Gast gelesen wurde.
Große Liebe. Brutaler Mörder.
Die reißerische Aufmachung erinnerte Bert sofort an Jette. Damals hatten sämtliche Zeitungen so und ähnlich getitelt.
Er setzte sich an einen Tisch am Fenster, von wo er Ausblick in den Garten hatte, einen kleinen schattigen Dschungel mit Tümpel, bemoosten Steinen und einer beeindruckenden Sammlung von Kräuterpflanzen in bauchigen Kübeln. Sogleich stellte sich ein Urlaubsgefühl ein, das ihn beinah vergessen ließ, warum er hier war.
Unmittelbar nach seiner Ankunft am Abend hatte er sich mit Karsten Spengler zusammengesetzt. Sie waren einander auf Anhieb sympathisch gewesen, und Bert hatte erleichtert festgestellt, dass sie sich auf einer Wellenlänge befanden. Anders als in seiner Vorstellung war der Kollege weder übergewichtig, noch hatte er geplatzte Äderchen im Gesicht, und bis zu seiner Silberhochzeit waren es noch ein paar Jahre hin.
Spengler hatte ihn in ein italienisches Restaurant eingeladen, das bei Bert heftiges Heimweh nach Marcello ausgelöst hatte, dessen Lokal er seit seiner Versetzung aus sentimentalen Gründen nicht mehr betreten konnte. Der Kellner hätte einer von Marcellos Brüdern sein können, so ähnlich war er ihm.
Bei einem vorzüglichen Essen hatten sie sich über den Stand der Ermittlungen ausgetauscht und sich für den folgenden Vormittag in der Polizeiinspektion verabredet.
Der Kollege schien sachlich und kompetent zu sein. Er sprach bedächtig und ruhig, und was er sagte, hatte Hand und Fuß.
Sie würden gut miteinander arbeiten können.
Die Nacht war kurz gewesen und voller fremder Geräusche. Dennoch hatte Bert ein paar Stunden geschlafen und fühlte sich jetzt erfrischt und ausgeruht.
Nachdem er eine Portion Rührei mit Speck gegessen und genüsslich die erste Tasse Kaffee getrunken hatte, legte der andere Gast die Zeitung beiseite und ging hinaus. Bert stand auf und holte sie sich. Von einer starken inneren Unruhe gepackt, suchte er nach dem Artikel, der ihn interessierte.
Ist ihre große Liebe ein brutaler Mörder?
Jette W. hat Tränen in den Augen, wie sie da so vor mir sitzt, vornübergebeugt, die Hände reglos ineinander verschränkt. Sie ist nach Hildesheim gekommen, um ihre große Liebe Lukas T. zu suchen, der in Verdacht steht, seinen Mitbewohner Albert K. in Köln ermordet zu haben (wir berichteten darüber).
»Er ist kein Mörder«, sagt sie so leise, dass man sie kaum verstehen kann. Ihre Freundin legt ihr tröstend die Hand auf die Schulter, doch das verzweifelte Mädchen scheint es nicht zu bemerken …
Zu allem Überfluss war der Artikel auch noch mit einem Foto der Mädchen ausgestattet. Bert fluchte leise. Mit Mühe widerstand er der Versuchung, das Blatt zu zerknüllen und durch die Gegend zu pfeffern.
Seine Wut überraschte ihn selbst.
Der Artikel förderte keine Erkenntnisse zutage, er reihte lediglich eine Menge Wörter aneinander, ohne etwas auszusagen. Das Bild, das er von den Mädchen entwarf, hatte mit Jette und Merle nicht das Geringste zu tun.
Allerdings lenkte der Artikel die Aufmerksamkeit auf sie und das konnte ihnen durchaus gefährlich werden.
Bert griff nach seinem Handy. Nach zehn Minuten hatte er die gewünschten Informationen. Er benachrichtigte Spengler, dass er sich ein wenig verspäten würde, frühstückte rasch zu Ende und machte sich auf den Weg.
*
Wieder versprach es ein schöner Tag zu werden. Noch lag Tau auf dem Gras und auf den Blättern der Bäume. Dunst verengte den Blick und ließ die Landschaft geheimnisvoll verschwimmen.
Merle hatte schon mit Claudio telefoniert, der ihr noch immer verübelte, dass sie mit mir weggefahren war. Er hatte sie angebrüllt und wutschnaubend das Gespräch abgewürgt. Jetzt saß sie mir beim
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