Der Sonntagsmann
gesetzt worden. Susanne hatte am Tag zuvor Recht gehabt. Sie las die Akte für sich, nicht etwa wegen Kärnlund. Noch fünfundzwanzig Tage. Der Countdown lief. Eigentlich war es ein unmögliches Unterfangen, so etwas war noch niemandem gelungen. Aber Ylva Marieanne Malmberg hatte sie bereits in ihren Bann gezogen.
Zunächst beschäftigte sie sich mit den erwiesenen Vorkommnissen, also den reinen Fakten des Falls. Ylva Malmberg war in Uppsala aufgewachsen, in dem damals neugebauten Stadtteil Sala Backe. Ihre Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie vierzehn Jahre alt gewesen war. Sie und ihr älterer Bruder Roger waren mit der Mutter in der Wohnung wohnen geblieben. Laut ihres Bruders hatte Ylva in den Kreisen »dieser linken Phantasten« verkehrt. In der vorletzten Klasse hatte sie das Gymnasium geschmissen, um in eine Kommune aufs Land nach Björklinge zu ziehen. Dort hatte sie bis Mitte der Siebzigerjahre gelebt, Roger hatte sich an das genaue Jahr nicht erinnern können.
Elina suchte in den Aufzeichnungen nach Vernehmungen anderer Kommunenmitglieder. Davon gab es drei, zwei Frauen und einen Mann. Sie legte die Protokolle erst einmal beiseite und blätterte weiter um herauszufinden, wann genau Ylva die Kommune verlassen hatte. Das war 1975 gewesen.
Ylva Malmberg war anschließend in eine Wohnung in einem Abbruchhaus an der Ringgatan in Uppsala gezogen. Im Sommer 1976 war sie mit zwei Freundinnen per Interrail in Europa unterwegs gewesen, eine Reise, die sie schließlich bis nach Indien geführt hatte. Elina blätterte. Beide Reisegefährtinnen waren vernommen worden.
Im März 1977 war Ylva nach Uppsala zurückgekehrt und hatte angefangen, in einer Wäscherei zu arbeiten. Im Herbst desselben Jahres hatte sie einen Kurs an der Tärna Folkhögskola bei Sala in der Provinz Västmanland belegt. Erst hatte sie in der Schule gewohnt, war aber Ende des ersten Jahres nach Västerås in eine Einzimmerwohnung in der Sandgärdsgatan gezogen. Eine Erklärung für den Umzug, der während der Unterrichtsmonate tägliches Pendeln nach Sala erfordert hatte, gab es nicht.
Elina suchte weiter. Die Akten enthielten außerdem Verhöre von Nachbarn und Bekannten aus Västerås. Ungefähr die Hälfte der Vernehmungen hatte Oskar Kärnlund durchgeführt.
Im März 1979 hatte Ylva Malmberg aufgehört, ihre Kurse an der Folkhögskola zu besuchen. Sie war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger. Am 2. Mai 1979 brachte sie im Centralkrankenhaus in Västerås ein Mädchen zur Welt. Es wog 3340 Gramm, war 49 Zentimeter groß und bekam den Namen Carolina.
Ylva Marieanne Malmberg hatte sich geweigert, den Namen des Vaters anzugeben. Trotz umfassender Nachforschungen im Zusammenhang mit der Ermittlung des Mordfalles konnte seine Identität nicht festgestellt werden. Keinem der Verhörten gegenüber hatte Ylva je den Namen des Kindsvaters erwähnt. Es konnte sich auch niemand erklären, warum sie ihn geheim gehalten hatte.
Nach der Tärna Folkhögskola schien sie von einem geringen Mutterschaftsgeld sowie von dem Kindergeld gelebt zu haben, das ihr ausgezahlt wurde. Außerdem hat sie Geld von der Unterhaltsvorschusskasse der Gemeinde Västerås erhalten, da der Vater nichts gezahlt hat. Die Sozialarbeiterin vom örtlichen Jugendamt, die die Mutter in der Sandgärdsgatan besucht hatte, hatte an der Pflege des Kindes und an den Verhältnissen in der Wohnung nichts auszusetzen gehabt. Der Besuch war Ende Mai 1979 erfolgt.
Zu Beginn Sommers, wahrscheinlich in den ersten Junitagen, hatte Ylva Malmberg Västerås zusammen mit ihrer kleinen Tochter verlassen und war nach Jäkkvik gereist. Sie war in ein kleines Haus gezogen, das ihrer Großmutter gehört hatte und in dem ihr Vater aufgewachsen war. Weshalb sie dorthin gezogen war, wusste niemand. Die Großmutter hatte zu jener Zeit noch gelebt. Sie hatte in einem Altersheim gewohnt und war beim Verhör ein wenig wirr gewesen. Sie konnte die Frage, weshalb ihre Enkelin plötzlich in ihrem Haus hatte wohnen wollen, nicht beantworten. Es lag einen guten Kilometer von den anderen Häusern des kleinen Ortes entfernt. Der Lebensmittelhändler des Dorfes hatte Ylva am häufigsten getroffen. Er hatte ausgesagt, dass sie mehrmals in der Woche zu Fuß mit dem Kinderwagen in den Dorfladen gekommen war. Der Dorfladen erledigte auch den Postdienst. Ylva hatte dort die wenigen Sendungen abgeholt, die aus Västerås nachgeschickt worden waren.
Elina suchte das Protokoll der Spurensicherung heraus. Im Haus waren
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