Der Sonntagsmann
etwa zehn verschiedene Briefe gefunden worden. Bei den meisten hatte es sich um Reklame für Babyprodukte gehandelt. Es gab jedoch auch eine mit Mia unterzeichnete und auf Mallorca am letzten Julitag 1979 abgeschickte Ansichtskarte. Ein leerer Umschlag ohne Absender war ebenfalls gefunden worden, abgestempelt am 15. September 1979. Alle Sendungen waren an Ylva Malmberg, Sandgärdsgatan, Västerås, adressiert gewesen.
Irgendwo war notiert, dass Ylva sich die Post an Ylva Malmberg, poste restante, Arjeplog, hatte nachsenden lassen. Von dort aus war die Post dann an den Lebensmittelhändler in Jäkkvik weiterbefördert worden.
Nach dem 1. Oktober hatte niemand mehr ihre Post abgeholt. Der Lebensmittelhändler hatte die Briefe nach Arjeplog zurückgeschickt, wo sie auf einem Postamt verwahrt worden waren, bis die Polizei sie im Mai 1980 beschlagnahmt hatte.
Alle Dorfbewohner hatten nur oberflächlich Kontakt zu Ylva gehabt. Zumindest einmal hatte sie den Hauptort der Region, Arjeplog, besucht, der etwa 100 km weiter im Landesinneren lag. Bei dieser Gelegenheit hatte sie auf dem Sozialamt um Geld gebeten. Als Grund des Geldmangels hatte sie die kostspielige Reise von Västerås angegeben. Das Sozialamt hatte Ylva Malmberg eine Sonderzahlung von 370 Kronen bewilligt, aber die Sachbearbeiterin hatte verlangt, dass Ylva mit ihrer Tochter einen Kinderarzt aufsuchte. Das war an dem Montag nach dem Mittsommerwochenende gewesen. Niemandem war an der jungen Mutter und ihrer Tochter etwas Ungewöhnliches aufgefallen.
Niemand in Västerås, an der Tärna Folkhögskola oder in Uppsala hatte etwas von Ylva Malmbergs Umzug nach Jäkkvik gewusst. Niemand hatte herauszufinden versucht, was aus ihr geworden war. Niemand hatte etwas über sie gewusst, als sie tot aufgefunden worden war.
Niemand, abgesehen von dem Mörder.
Zum letzten Mal hatte der Lebensmittelhändler Ylva Ende September 1979 gesehen, das Datum hatte er nicht mehr genau gewusst. Im Haus war ein Exemplar der Tageszeitung Norra Västerbotten vom 26. September gefunden worden, die Ylva wahrscheinlich im Dorfladen gekauft hatte. Der Lebensmittelhändler hatte angenommen, dass sie wieder in den Süden gezogen sei und daher nicht mehr in den Laden gekommen war. Ein Angler meinte, er hätte sie am 22. September gesehen, an dem Tag, an dem er Jäkkvik verlassen hatte, um in einem anderen Angelgewässer sein Glück zu versuchen. Ein Kunde des Dorfladens glaubte, sie irgendwann in der zweiten Septemberhälfte gesehen zu haben. Er konnte sich noch so gut daran erinnern, weil an jenem Tag der erste Schnee gefallen war. Laut Wetteramt hatte es zum ersten Mal am 23. September geschneit.
Die einzige Zeugenaussage, die zeitlich ein wenig von den anderen abwich, stammte von einem 73-jährigen Bewohner des Samendorfes Semisjaur-Njarg. Am ersten Tag des zehnten Monats habe er das Mädchen am Felsen getroffen. Elina fand, dass das irgendwie hübsch klang, fast biblisch. Auf die Frage, ob er sich noch genau erinnern könnte, welcher Tag das gewesen sei, hatte der Same geantwortet: »Das war der heilige Tag.« Es war weder der letzte Tag des neunten noch der zweite Tag des zehnten Monats, sondern genau der erste. Der Polizist, der das Verhör durchgeführt hatte, hatte nicht herausfinden können, was daran heilig gewesen war, meinte jedoch, dass sich der alte Mann seiner Sache sehr sicher gewesen zu sein schien.
Seither war Ylva von niemandem mehr gesehen worden. Daher wurde als Todestag der 1. Oktober 1979 bestimmt.
Am 4. Mai 1980 hatten sich eine Skifahrerin und ein Skifahrer aus Göteborg den Kungsleden entlang gemüht. Die Sonne schien, und der Schnee hatte zu schmelzen begonnen. Die Frau war in einer Niederung in ein Wäldchen gestapft, um ihr natürliches Bedürfnis zu erledigen. Dort war sie auf einen Körper gestoßen, den sie anfangs für einen Tierkadaver gehalten hatte, der sich jedoch später als Leichnam Ylva Marieanne Malmbergs herausstellte.
Die Leiche war ursprünglich vergraben worden, hatte aber teilweise offen gelegen.
Die gerichtsmedizinische Untersuchung kam zu dem unschönen Ergebnis, dass ein wildes Tier den Leichnam auf der Suche nach Nahrung ausgegraben hatte. Die Experten staunten, dass es sich dabei um einen Wolf gehandelt haben musste, da die Wölfe in der Gegend so gut wie ausgerottet waren. 1980 war man der Meinung gewesen, dass es in Schweden keine Wölfe mehr gab. Vielleicht hatte es sich um ein Tier gehandelt, das von Norwegen über die Grenze
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