Der Sonntagsmann
verschieden?«
Das war eine Diskussion, auf die Elina sich nicht einlassen wollte. Wenn sie ehrlich geantwortet hätte, hätte sie zu viel von sich preisgegeben. Alles andere wäre sinnloses Geschwätz gewesen. Staffan Wallén war erstaunlich aufrichtig, aber das Gespräch war eine Vernehmung und keine vertrauliche Unterredung.
»Ich glaube tatsächlich, dass es so war«, fuhr Staffan Wallén fort. »Obwohl sie nach Bestätigung suchte, um die Sache einmal so auszudrücken, behielt sie eine gewisse Distanz. Sie war nicht unentschlossen, sondern eher zwiespältig.«
»Laut ihrem Taschenkalender haben Sie sie vier Mal getroffen. Oder war es öfter? Wo haben Sie sich getroffen?«
»Zu Hause bei ihr. Vier Mal … ja, so oft könnte es gewesen sein. Es ist schwer, sich genau zu erinnern.«
»Warum nicht öfter?«
Er zuckte mit den Achseln. »Wir waren schließlich nicht zusammen. Das erste Mal war es irgendwo in der Stadt, vermutlich in der Kneipe, und danach rief ich einige Male bei ihr an und wollte sie besuchen. Die Initiative ging von mir aus. Vermutlich war ich noch öfter bei ihr, ohne sie zu Hause anzutreffen. Dann verlief die Sache wahrscheinlich von selbst im Sand.«
»Und wann war es das letzte Mal?«
»Daran erinnere ich mich nicht mehr. Aber es war lange bevor sie ermordet wurde. Ich glaube, ich habe es noch einmal nach dem Sommer probiert, aber sie war nicht zu Hause.«
»Nach dem Sommer 1978?«
»Ja, vermutlich.«
»Eine direkte Frage«, sagte Elina. »Sie hat im Mai 1979 ein Kind zur Welt gebracht. Könnte das von Ihnen gewesen sein?«
»Die Frage hat mir die Polizei damals auch gestellt. Aber soweit ich mich erinnere, habe ich zuletzt im Sommer 1978 mit ihr geschlafen. Und das wäre dann doch unmöglich. Außerdem habe ich immer ein Kondom oder den Interruptus angewendet. Wenn ich das nicht getan hätte, dann hätte ich vermutlich viel mehr Kinder als die zwei da draußen auf dem Fußballplatz.«
»Ihr Kürzel im Taschenkalender war S-n. Wissen Sie, wen sie N. genannt hat?«
»Nein. Keine Ahnung. Wir hatten kaum gemeinsame Bekannte. Und im Grunde kannte ich Ylva auch gar nicht.«
Elina schlug das alte Vernehmungsprotokoll auf. Es war auf den 6. Juni 1980 datiert. »Lesen Sie sich das bitte durch, und sagen Sie mir, falls etwas nicht stimmt oder falls Sie noch etwas ergänzen wollen.«
Zwanzig Minuten lang las er konzentriert. »Das ist genau so, wie ich mich jetzt auch daran erinnere. Es gibt jedoch etwas, das ich ergänzen möchte.«
»Und das wäre?«
»Ich vermute, das ist inzwischen verjährt?«, fragte er und sah Elina an.
»Das Einzige, was nicht verjährt ist, ist der Mord«, erwiderte sie.
»Wir haben in ihrer Wohnung immer einen Joint geraucht. Ich habe damals geraucht, allerdings nie gedealt. Eigentlich war das auch nicht so oft. Als ich die Mutter der Jungs kennen gelernt habe, habe ich ganz damit aufgehört.« Er deutete mit dem Kopf zur Tür, durch die die beiden Teenager jeden Moment hereinstürmen konnten.
Elina nahm das Protokoll wieder an sich.
»Haschisch?«, meinte sie. »Nirgendwo steht, dass Ylva Drogen genommen haben soll, nur dass sie ab und zu ganz gern ein Glas getrunken hat. Sind Sie sicher?«
»Was die Joints betrifft? Ich war schließlich dabei.«
»Warum haben Sie das bei der Vernehmung nicht angegeben?«
»Habe ich das nicht eben gesagt? Indirekt. Als ich gefragt habe, ob das verjährt ist?«
»Der Konsum von Drogen war damals noch nicht strafbar.«
»Trotzdem. Wenn ich der Polizei gesagt hätte, dass ich Hasch rauche, dann wäre ich garantiert in Ihre Kartei geraten. Wer will sich schon gern als Junkie outen? Und der Besitz war doch wohl damals schon strafbar?«
»Wissen Sie, wer ihr Dealer war?«
»Nein. Ich habe das Dope immer mitgebracht. Und habe sie dazu eingeladen.«
Draußen war es bereits stockdunkel, als Elina Tillberga wieder verließ. Sie konnte kaum glauben, was Staffan Wallén ihr erzählt hatte. Sollte es den Ermittlern vollkommen entgangen sein, dass Ylva Drogen nahm, obwohl Staffan Wallén natürlich nur einige wenige Male bezeugen konnte? Sie hätte viel mehr konsumieren können. Oder hatte Ylva einfach nur mitgeraucht? Staffan Wallén hatte das Dope dabeigehabt, und Ylva hatte eben geraucht. Sonst wäre sie vielleicht nie auf den Gedanken gekommen. Wie hatte er sich ausgedrückt? Sie war irgendwie dankbar dafür gewesen, dass man sie ernstnahm.
18. KAPITEL
Es herrschte ungewöhnlich geringer Verkehr, überwiegend
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