Der Sonntagsmann
hatte er genug.
Die Tür wurde geöffnet. Anita hielt sie dem Jungen und dem Mädchen auf. »Sagt dem Opa guten Tag«, sagte sie. Er lächelte die beiden an, erhob sich aber nicht. Die beiden eilten gefolgt von ihrer Großmutter wieder davon. Er hörte, wie Anita ihnen versprach, gemeinsam Zimtschnecken zu backen. Vor dem Haus ließ die Tochter ihren Wagen an. Sie war nicht einmal hereingekommen, um ihn zu begrüßen. Vielleicht hatte sie gar nicht gewusst, dass er zu Hause war? Sie mochte ihn, das glaubte er zumindest. Aber so war das wohl mit Stiefvätern, sie hatten eine praktische Funktion, so lange die Kinder noch klein waren. Die Mütter gaben die Wärme. Dem Kind seiner Frau stand er wirklich nicht nahe.
Rentner, er ließ das Wort auf der Zunge zergehen. Er hatte gern gearbeitet. Mit eindeutigen Beschlüssen dafür gesorgt, dass Dinge von anderen erledigt wurden. Nein, er würde vermutlich gezwungen sein, eine neue Beschäftigung zu finden. Um rauszukommen. Sonst würde das Leben zu einer langen Reihe von Sonntagen verkommen. Noch war er nicht zu alt.
21. KAPITEL
Der Mann hatte graues Haar und trug Hosenträger.
»Ich wohne jetzt schon seit zweiunddreißig Jahren hier und erinnere mich an alle. An meinem Gedächtnis ist wirklich nichts auszusetzen.«
Er zwinkerte Elina zu. »Es war sicher auch kein Fehler, dass ich früher hier Hausmeister war und für Ordnung gesorgt habe. Jetzt gibt es keinen Hausmeister mehr. Aber irgendwie sitzt einem das in den Knochen. Ich sehe immer noch zu, dass alles funktioniert und dass nicht eingebrochen wird, wenn jemand verreist ist. Einmal habe ich die Polizei gerufen, als der Einbrecher gerade durchs Fenster kletterte. Das war bei den Håkanssons im Erdgeschoss, also zwei Stockwerke unter mir. Sie waren in den Skiferien und …«
Elina unterbrach ihn: »Sie erinnern sich also an Ylva Malmberg?«
»Ja natürlich. Sie war schließlich meine unmittelbare Nachbarin und überhaupt. Nettes Mädchen. Dann habe ich gehört, was geschehen war. Wirklich schrecklich. Aber bleiben Sie doch nicht in der Tür stehen, kommen Sie rein.«
Elina zog in der Diele ihre Schuhe aus und ging in die Küche. Ein Glück, dass ich heute morgen keinen Kaffee getrunken habe, dachte sie. Über der Küchenbank hing eine Stickerei.
»Eigener Herd ist Goldes wert.« Es roch nach Putzmittel. Auf dem Balkongeländer hingen zwei Flickenteppiche, die Balkontür stand offen. Die Brise, die in die Küche drang, hatte immer noch die Unbeschwertheit des Morgens. Draußen war es an diesem frühen Samstagmorgen recht still, und in der Sandgärdsgatan saßen vermutlich alle noch am Frühstückstisch. Der alte Mann goss ohne zu fragen Kaffee in zwei Tassen. Die Freude darüber, dass ihm jemand eine Weile lang Gesellschaft leistete, war ihm anzumerken, obwohl es sich bei der Besucherin um eine Polizistin im Dienst handelte.
»Erinnern Sie sich an irgendjemanden, der Ylva besucht hat?«, fragte Elina, nachdem ihr der Mann die Topfpflanzen auf seinem Balkon erläutert hatte.
»Bei ihr war nie was los, also Streit oder so oder laute Musik. Sie war eine ordentliche Nachbarin. Aber mir fiel natürlich auf, dass sie manchmal Besuch hatte. Vermutlich ihre Freunde. Es ist ein Menschenrecht, Freunde zu haben. Vielleicht hatte sie auch irgendwelche Männer. Keine Ahnung. Aber namentlich kannte ich niemanden.«
»Woran erinnern Sie sich, was die Männer angeht?«
»Gelegentlich fiel mir schon auf, dass sie spät mit einem jungen Mann nach Hause kam. Was sie dann taten, kann man nur vermuten. Aber wie gesagt, das ist ein Menschenrecht, und es hat mich auch nicht gestört. Nur einmal fand ich, dass es etwas zu weit ging, daran erinnere ich mich noch gut, das war in einer Nacht, als einer von ihnen, also einer dieser jungen Männer, Steine an ihr Fenster warf. Er brüllte und wollte zu ihr rein. Das, fand ich, ging etwas zu weit.«
»Wissen Sie denn, wer der junge Mann war?«
»Nein, es war dunkel, und ich bin nicht runtergegangen, um ihm die Haustür aufzuschließen. Wirklich nicht. Aber er war in ihrem Alter, vermute ich mal. Einer von ihrer Schule vielleicht. Sie hat doch irgendeine Schule besucht, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt. Erinnern Sie sich noch an jemand anderen, jemanden, der oft kam?«
»Nein, jetzt wo Sie’s sagen … da war einer, der kam manchmal. Nicht so oft vielleicht, möglicherweise habe ich ihn auch nicht jedes Mal gesehen, schließlich war ich nicht dauernd am Fenster und habe meinen Nachbarn
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