Der Sonntagsmann
hinterher spioniert. Aber irgendetwas an ihm war anders. Er kam immer sonntags. Immer nur sonntagnachmittags.«
Elina runzelte die Stirn. Sie konnte sich nicht entsinnen, diese Information irgendwo in der Akte gelesen zu haben.
»Wissen Sie, warum?«, fragte sie.
»Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wer er war. Wissen Sie, Frau Kommissarin, ich habe ihn ja kaum gesehen. Ich habe nur gehört, wie er geklingelt und vielleicht ein paar Worte gesagt hat. Das Haus ist recht hellhörig. Ein paarmal habe ich ihn auch von oben vom Fenster gesehen, als er kam, und gelegentlich wieder, wenn er ging. Ich hatte den Eindruck, dass er etwas älter war als sie.«
»Wann war das?«
»Ich weiß nicht. Wie lange wohnte sie hier?«
»Ein Jahr lang. Frühsommer 1978 bis Juni 1979.«
»Ich weiß nicht recht. Vielleicht war es zu Anfang.«
Warum hatte sie diese Besuche nicht in ihrem Taschenkalender notiert?, überlegte Elina. Und wieso war er nur an Sonntagen gekommen?
»Aber das haben Sie der Polizei gegenüber damals nicht erwähnt?«
»Nein, vielleicht nicht. Vermutlich hat auch niemand direkt gefragt, und dann war das schließlich auch ein ziemlicher Schock, und man dachte nicht an alles. Außerdem war das ja auch lange bevor es ihr so schlecht erging. Ich wusste ja auch nicht, wer er war.«
Der alte Mann wollte Elina gar nicht mehr gehen lassen, und sie hörte sich geduldig Geschichten an, die irgendwo begannen und immer weiter ausuferten. Schließlich stand sie auf und verkündete, sie müsse jetzt gehen. Sie zog ihre Schuhe an, blieb aber vor der Wohnungstür noch einmal stehen.
»Wer wohnt hier denn jetzt?«, fragte sie und deutete auf die Nachbartür, auf die Tür von Ylva Malmbergs ehemaliger Wohnung. Dort hatte sie sich vor nur fünf Tagen mit Ylva Hedlund unterhalten. Nun schien die Wohnung leerzustehen.
»Niemand«, antwortete der Mann und deutete auf den Briefeinwurf. »Eriksson, der Hauptmieter, wohnt im Augenblick im Ausland, aber Weihnachten kommt er zurück.«
»Niemand? Aber ich habe mich dort doch letzten Montag noch mit einer jungen Frau unterhalten.«
»Man darf hier nicht untervermieten. Deswegen wohnt da niemand.«
»Aber sie war doch da.«
»Vielleicht war das ja eine Verwandte von ihm, die sich um die Wohnung kümmert? Seit Juni wohnt dort niemand mehr. Haben Sie sich vielleicht im Aufgang geirrt?«
Elina musterte die Tür. »Nein …« Sie schüttelte den Kopf.
»Danke für Ihre Hilfe.«
Sie fuhr nordwärts und befand sich recht bald auf der Ausfallstraße Richtung Bergslagen. Eine Verwandte? Die sich um die Wohnung kümmerte? Vielleicht, dachte sie. Aber nicht sehr wahrscheinlich. Schließlich hatte sie am Schreibtisch gesessen und gebüffelt. Und der Name hatte an der Tür gestanden.
Elina war ratlos. Wer war der Mann, der Ylva die sonntäglichen Besuche abgestattet hatte? Der unbekannte N? Er war zumindest einmal an einem Sonntag bei Ylva gewesen, am 27. August 1978. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, zu dem Ylva schwanger geworden war. Aber wieso hatte sie gerade diesen Besuch notiert und die anderen nicht? Oder war es jemand anders? Regelmäßige Besuche … ein Liebhaber, der feste Gewohnheiten hatte? Das wäre wohl nicht sehr erbaulich für Ylva gewesen. Konnte es um Geld gegangen sein? Elinas Kopf füllte sich mit Fragen, auf die sie keine Antworten fand. Vielleicht wusste Mikaela Andersson mehr. Sie wollten sich um zehn in einem Café im Zentrum von Sala treffen. Mikaela war zusammen mit Ylva auf einem Foto abgebildet gewesen. Ein recht kräftiges Mädchen, das fröhlich in die Kamera lächelte. Elina fragte sich, wie sie wohl jetzt aussah.
Mikaela Andersson erhob sich von ihrem Stuhl, als Elina das Café betrat. Offenbar hatte sie Elina von einem Bild aus der Zeitung wiedererkannt. Elina hätte Mikaela Andersson von dem Foto, das sie gesehen hatte, kaum wiedererkannt. Sie war jetzt schlank und trug eine Brille. Das breite Lächeln hatte sie jedoch immer noch.
»Ich habe nach der Tärna Folkhögskola in einem Hort gearbeitet«, erzählte sie. »Dann habe ich geheiratet und Kinder bekommen, bin also nie mehr nach Härnösand heimgekehrt.«
Sie lachte. »Mensch, ich sage immer noch heim. Mein Mann heißt auch Andersson, es gibt also Leute, die glauben, dass ich immer noch unverheiratet bin.«
Sie hob die linke Hand mit einem breiten Goldring am Ringfinger, wie um zu beweisen, dass sie wirklich verheiratet war.
»Wo arbeiten Sie jetzt?«, fragte Elina.
»Ich verwalte die
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