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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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Theorien. Manche glaubten, Sie seien aus einem der Samendörfer auf dem Festland gekommen. Dort leben die Leute recht weit voneinander entfernt, und eine Frau hätte eine unerwünschte Schwangerschaft gut geheimhalten können. Es gab andere, die glaubten, Sie seien das Kind von Drogenabhängigen, die sich nicht um Sie hätten kümmern können. Aber ich weiß nur, dass Sie vollkommen gesund waren, als man sie fand, und dass von Ihren Eltern jede Spur fehlte, wirklich jede.«
    »Warum war das so schwierig?«, fragte Robert plötzlich. Der Ton seiner Frage erstaunte Kari, und sie drehte sich zu ihm um. »Ich meine, wie schwer kann es sein, eine Frau zu finden, die gerade ein Kind zur Welt gebracht hat?«, meinte er herausfordernd.
    »Tja, mein Junge«, meinte Jan Egil Laursen. »Vielleicht wäre es leichter gewesen, wenn uns jemand geholfen hätte.«
    »Wer denn?«, wollte Robert wissen, der nicht klein beigeben wollte.
    »Setzt euch, dann erkläre ich alles.« Robert und Kari setzten sich auf das Sofa.
    »Sie wissen doch, was Reidar für ein Mann war? Also Ihr Adoptivvater.«
    »Ich kann mich kaum an ihn erinnern«, erwiderte Kari. »Er starb, als ich noch sehr klein war, und meine Mutter erzählte nicht so viel. Ich habe sie auch nie gefragt.«
    »Sie waren erst vier oder fünf, als er starb, oder?«, meinte Laursen. »Alle wussten, wer Reidar Solbakken war. Oder sie waren sich seiner Existenz jedenfalls sehr bewusst. Ihr Vater hatte damals hier in der Gegend das Sagen. Er war noch vom alten Stamm. Alter Soldat. Zweimal von den Deutschen verwundet. Dann war er in die Politik gegangen. Die Arbeiterpartei. Besaß Fischkutter, mit denen er wahnsinnig viel Geld verdiente. Damals waren die Fänge noch enorm. Er war erfolgreich und wurde ein richtiger Machtmensch. Sie entschuldigen doch, dass ich das sage? Er hatte aber auch eine andere Seite. Er war sozial sehr engagiert. Vielleicht wegen ihrer Mutter. Sie war ja Sozialarbeiterin. Er schenkte Geld für wohltätige Zwecke und half Familien, die Probleme hatten. Kurz gesagt, er war ein bedeutender Mann. Ein Mann, dem niemand widersprechen wollte.«
    Jan Egil Laursen stand auf und öffnete einen Schrank. Er nahm eine Medaille heraus.
    »Die habe ich 1964 bekommen. Ich habe ein kleines Mädchen vor dem Ertrinken gerettet. Reidar Solbakken hat dafür gesorgt, dass ich die Medaille und eine Urkunde von der Gemeinde erhielt. Das war ein feiner Zug, und ich war sehr stolz. Gleichzeitig wusste er ganz genau, was er tat. Ich stand in seiner Schuld und reihte mich ein in die Gruppe derer, die sich ihm nur schwer widersetzen konnten.«
    »Warum hätten Sie sich ihm denn widersetzen sollen?«, fragte Robert.
    »Es gab keinen Anlass. Aber man konnte ja nie wissen, falls Sie verstehen, was ich meine.«
    »Nicht richtig.«
    »Als man Sie fand«, sagte Laursen und wandte sich an Kari, »hätte es einen Grund geben können. Unsere Pflichten kollidierten mit seinen Interessen. Seine Frau wollte Sie behalten. Das ließ Reidar Solbakken diejenigen, die die Adoptionsgenehmigung erteilen mussten, natürlich verstehen. Wir von der Polizei bekamen das auch zu wissen. Er übte zwar keinen direkten Druck aus, äußerte aber Ansichten wie, dass es auf der Hand liege, dass die richtigen Eltern das Kind nicht haben wollten, und dass es nun vor allem Sicherheit und Geborgenheit benötige. Hinzu kam, dass Reidar keine eigenen Kinder bekommen konnte, weil er von den Deutschen bei der Befreiung des Vaterlands verletzt worden war. So etwas war nicht misszuverstehen. Mein Kollege machte vermutlich seine Arbeit, aber ich glaube nicht, dass er sich mehr als nötig ins Zeug legte, um ihre leiblichen Eltern zu finden.«
    Kari öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.
    »Heißt das, dass man sie hätte finden können?«, fragte Robert, »wenn man sich mehr Mühe gegeben hätte?«
    »Ich glaube nicht, dass es wirklich geklappt hätte. Es gab keine einzige Spur von den Eltern. Wenn es leicht gewesen wäre, dann hätten wir sie auch gefunden, egal, was er gesagt hätte. Den einzigen Rat, den ich Ihnen geben kann, ist, die Akte genau zu lesen. Vielleicht entdecken Sie etwas, das wir damals nicht verstanden haben. Aber an Ihrer Stelle würde ich mir keine zu großen Hoffnungen machen.«
    »Wussten Reidar und meine Mutter, wer meine Eltern waren?«, fragte Kari plötzlich und sah Jan Egil Laursen in die Augen.
    »Diese Frage habe ich mir damals auch gestellt. Aber ich glaube es nicht. Haben Sie Ihre Mutter mal

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