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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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Oder?«
    Svalberg zuckte mit den Achseln und erhob sich. Ein Berg alter Akten lag im Keller und wartete auf sie.

29. KAPITEL
    Er trug einen Bart. Robert fand, dass er einem dieser Fischer von den Ölgemälden ähnlich sah. Aber er war der Chef der Sozialbehörde in Ramberg. Er saß hinter einem Schreibtisch. Ihm gegenüber hatten Kari und Robert Platz genommen.
    »Ich wurde adoptiert«, sagte Kari. »Der Pfarrer meinte, dass Sie die Unterlagen darüber haben müssten. Ich würde sie mir gerne ansehen.«
    »Ja, das haben Sie meiner Assistentin bereits gesagt«, entgegnete der Chef der Sozialverwaltung. »Ich habe mir die Akten angesehen. Nichts unterliegt der Vertraulichkeit. Sie können also alles lesen.«
    Er reichte Kari einen kleinen Stoß Papiere. »Nehmen Sie doch bitte auf dem Gang Platz. Dort steht eine Bank.«
    Kari las schweigend. Robert setzte sich und wartete.
    »Und was steht da?«, fragte er nach zwanzig Minuten.
    »Das meiste sind Sachen über Reidar und Berit«, erläuterte Kari. »Was sie für eine Arbeit haben, ob sie an Erbkrankheiten leiden, wie viel sie verdienen und vieles mehr. Dass sie sich immer Kinder gewünscht haben, aber keine bekommen konnten, weil Reidar im Krieg verletzt worden war.«
    »Steht da was über …«
    »Warte, ich bin noch nicht fertig.«
    Robert lehnte sich zurück und streckte die Beine aus.
    »Reidar behauptete, keine Ahnung zu haben«, meinte Kari nach einer Weile.
    »Wovon?«
    »Wer meine richtigen Eltern sein könnten. Hier steht Folgendes: ›Herr Solbakken, wissen Sie, wer das Kind auf der Treppe des Hauses zurückgelassen haben könnte?‹ ›Nein‹, antwortet er. ›Ich habe nicht den blassesten Schimmer.‹ Dann fragen sie ihn nach den Eltern: ›Wissen Sie, wer die richtigen Eltern gewesen sein könnten?‹ ›Nein, das weiß ich wirklich nicht.‹«
    »Und was sagte deine Adoptivmutter?«
    »Dasselbe. Sie wussten beide nicht, wo ich herkam.«
    Sie legte den Papierstoß beiseite. Robert fand, dass sie eher nachdenklich als traurig wirkte.
     
    Spätabends krochen sie im Zelt in ihre Schlafsäcke. Kari lag auf der Seite und wandte Robert den Rücken zu.
    »Ist das nicht ein bisschen komisch?«, sagte sie, mehr zur Zeltwand als zu Robert. Er fragte nicht gleich, was sie damit meine. Er hatte sich daran gewöhnt, dass sie nicht viel sagte, aber seit ihrem Besuch beim Jugendamt war sie noch schweigsamer als sonst. Schließlich fragte er doch.
    »Was ist komisch?«
    »Sie können keine Kinder bekommen, wollen aber sehr gerne eins haben. Und dann kommt jemand vorbei und deponiert ausgerechnet auf ihrer Treppe ein Baby.«
    Robert dachte eine Weile nach, ehe er antwortete. »Der Pfarrer sagte ja, dass alle gewusst hätten, dass sie sich sozial engagiert haben.«
    »Das schon«, meinte Kari. »Aber alle konnten doch unmöglich wissen, dass sie sich ein Kind wünschten.«
    »Ich versteh nicht recht«, sagte Robert.
    »Ich auch nicht. Ich versuche es. Aber das ist nicht so einfach.«
    »Sag mir, was du denkst.«
    »Also ungefähr folgendermaßen: Der Pfarrer glaubte, dass die Person, die mich auf ihrer Treppe abgelegt hat, wusste, dass Mama Sozialarbeiterin war und dass Reidar vielen Leuten geholfen hatte. Und da alle wussten, wer Reidar war, könnte es jeder hier aus der Gegend gewesen sein. Aber das muss schließlich nicht der Grund gewesen sein.«
    »Sondern?«
    »Meine richtigen Eltern haben mich vielleicht bei jemandem abgegeben, von dem sie wussten, dass er sich ein Kind wünscht.«
    »Sie kannten sich also, meinst du?«
    Kari antwortete nicht. Robert drehte sich zu ihr um und rückte näher. Er wagte erst nicht, sich an sie zu kuscheln, aber dann nahm er seinen Mut zusammen und schmiegte sich an ihren Rücken, einen Arm über ihrer Brust. Sie nahm seine Hand und hielt sie fest. Robert lag atemlos da. Er war erregt, hoffte aber, dass sie es durch die beiden Schlafsäcke hindurch nicht bemerken würde. Er machte seine Hand vorsichtig frei und schob sie in ihren Schlafsack. Dann umfasste er zärtlich ihre Brust.
    »Jetzt schlafen wir«, sagte sie, schob seine Hand aber nicht weg.

30. KAPITEL
    Elina merkte, dass Henrik Svalberg sofort vom Jagdeifer gepackt worden war. Ich bin also nicht die einzige verrückte Person hier, dachte sie. Um sieben Uhr abends saßen sie immer noch im Keller des Präsidiums und wühlten in alten Ermittlungsakten.
    Sie hob den Kopf und betrachtete ihn, ohne dass er es bemerkte. Plötzlich überkam sie eine Woge der Zärtlichkeit. Sie hatte

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