Der Sonntagsmann
schüttelte den Kopf. Wertlos. Sie öffnete die andere Mail. Von der Polizei in Örebro, unterschrieben von einer Kriminalassistentin namens Hanna Ceder.
»Hallo«, begann sie fröhlich, »die Person, für die Sie sich interessieren, wurde im Mai 1988 wegen sexueller Belästigung rechtskräftig verurteilt. Die Ermittlungsakte umfasst acht Seiten, Wenn Sie wollen, kann ich sie Ihnen faxen. Das Urteil ist am Amtsgericht Örebro archiviert.« Hanna Ceder hatte die Telefonnummer des Amtsgerichts sowie das Aktenzeichen angegeben.
Elina betrachtete die Liste der 34 möglichen Väter. Sie fuhr mit dem Finger die Namen entlang, bis sie auf den Gesuchten stieß: Ulf Nyman.
Ulf Nyman. Sie hatte letzte Woche mit ihm telefoniert. Sie suchte ihre Gesprächsnotizen hervor. Nichtssagend. Das galt auch für das Vernehmungsprotokoll aus den alten Ermittlungsakten. Er war Ylvas Lehrer in »Praktischer Entwicklungshilfe« an der Tärna Folkhögskola gewesen, geboren 1944, also zehn Jahre älter als Ylva. Inzwischen wohnte er in Täby bei Stockholm. Sie schickte Hanna Ceder eine Mail und bat, ihr die Akten des Ermittlungsverfahrens zu faxen. Dann rief sie beim Amtsgericht Örebro an und bat um das Gerichtsurteil. Ein freundlicher Beamte versprach, sich darum zu kümmern.
Die Akten trafen nach ein paar Minuten ein. Die Sache war recht unkompliziert. Außer den Angaben zur Person gab es zwei Vernehmungen und eine Gesprächsmitschrift. Er war verdächtigt worden, eine Frau namens Lisbet Johansson mehrmals angerufen zu haben, obwohl sie ihn gebeten hatte, dies zu unterlassen. Er hatte sie weiterhin zweimal in ihrer Wohnung aufgesucht, auch, nachdem sie sich seine Besuche eindeutig verbeten hatte.
Einer, der sich nicht mit einem Nein zufrieden gibt, dachte Elina und begann, die Vernehmungsprotokolle zu lesen. Laut Lisbet Johansson hatte sie Ulf Nyman bei einem Kurs in Loka Brunn ein halbes Jahr zuvor kennen gelernt. Alle Teilnehmer des Kurses waren Lehrkräfte gewesen und es war um neue Pädagogik gegangen. Abends hatte ihr Ulf Nyman Avancen gemacht, sie war nicht ganz nüchtern gewesen und hatte zugelassen, dass er sie küsste. Mehr war nicht passiert. Eine Woche später hatte sie sich bereit erklärt, ihn in einem Café in ihrem Heimatort Kumla zu treffen. Sie waren zusammen nach Einbruch der Dunkelheit spazieren gegangen, und er hatte sie wiederum küssen dürfen. Sie hatte ihn »anziehend« gefunden, aber als sie erfahren hatte, dass er verheiratet war, hatte sie von weiteren Begegnungen nichts mehr wissen wollen. Da hatte er damit begonnen, bei ihr anzurufen. Obwohl sie ihn ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass sie auf weiteren Kontakt keinen Wert lege, hatte er sie nach wie vor angerufen. Er hatte versucht, sie umzustimmen. Einige seiner Anrufe waren spätabends erfolgt. Sie hatte diese Gespräche nicht direkt als bedrohlich, sondern als unbehaglich empfunden, aber er war aufdringlich gewesen. Laut Lisbet Johansson hatte es sich um zehn bis fünfzehn Anrufe gehandelt.
Als er sie schließlich in ihrer Wohnung aufgesucht hatte, hatte sie beschlossen, ihn anzuzeigen. »Ich hatte das Gefühl, dass die Situation außer Kontrolle geriet, und wusste nicht recht, wie weit er gehen würde. Ich wollte ihm Einhalt gebieten, ehe es zu Schlimmerem kommen konnte.« Auf die Frage, wovor sie Angst gehabt habe, antwortete sie: »Es machte nicht den Eindruck, als könne er gewalttätig werden, aber da er sich weigerte, meine Wünsche zu berücksichtigen, war ich mir nicht sicher.«
Ulf Nyman selbst leugnete, Lisbet Johansson belästigt zu haben. Sie waren sich bei dem Kurs begegnet, hatten sich gut verstanden und deswegen weiterhin Kontakt gehabt. Es war weder da noch später um irgendeine sexuelle Beziehung gegangen. Die Küsse, von denen sie gesprochen habe, waren eher freundschaftlich gemeint gewesen. Er bestätigte, dass sie ihn darum gebeten habe, weitere Annäherungen zu unterlassen, er habe das jedoch dahingehend gedeutet, dass sie deprimiert gewesen sei und ihn nicht mit ihren Sorgen habe behelligen wollen. Er habe sie nach wie vor angerufen, um ihr zu zeigen, dass sie sich weiterhin seiner Unterstützung als Freund gewiss sein könne. Er habe sie nicht im Stich lassen wollen.
Lisbet Johansson hatte die letzten beiden Telefonate auf Band aufgenommen, um ihre Anschuldigungen zu beweisen. Die Abschriften waren recht kurz:
Gespräch 1 (16. Dezember, 22.42 Uhr)
Ulf Nyman: Hallo. Ich bin’s. Leg nicht auf, lass mich …
Lisbet
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