Der Sonntagsmonat
Augen hat zu sehen, brächte es fertig, nicht so zu begehren? War nicht das erste von menschlichen Ohren vernommene Gebot: «Seid fruchtbar und mehret euch»? Ehebruch ist nicht ein freiwilliger Akt, den man vermeiden kann, sondern ein Umstand, den es anzunehmen gilt. So lege ich diese Texte aus.
Aber wenn wir, geliebte Freunde, unseren Herrn und Meister schneidend liberal in Sachen Ehebruch urteilen sehen, so erleben wir Ihn noch weniger tröstlich streng, wo es um Scheidung geht. Das pharisäische Gesetz Seiner Zeit war weit fortgeschritten in dem Bemühen, die Institution der Ehe der plastischen menschlichen Wirklichkeit anzupassen, die, wie ich fürchte, nie sehr weit vom Herzen des Judaismus entfernt ist. Scheidungsbriefe konnten, wie im 5. Buch Mose, Kapitel 24 näher ausgeführt, geschrieben werden, wenn die Frau keine Gnade mehr fand vor den Augen ihres Mannes, «weil er etwas Schändliches an ihr gefunden hat». Doch damit nicht genug. Ein Zeitgenosse Jesu, ein gewisser Rabbi Hillel, verkündete, ein Mann könne sich von seinem Weibe scheiden lassen, wenn «sie ihm die Mahlzeiten zu stark koche», und ein Schüler Hillels, ein gewisser Rabbi Akiba, erklärte mit einer Lauterkeit, in deren Licht unsere gegenwärtigen Scheidungsgesetze sich als das heuchlerische Wirrwarr ausnehmen, das sie sind, ein Mann könne sich mit Fug und Recht scheiden lassen, «wenn er eine Frau sieht, die hübscher ist als seine eigene».
Was sagt Jesus zu solchen Vorschriften? Daß sie «um eures Herzens Härtigkeit willen» geschrieben worden seien. Und: «Was denn Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.» Und: «Wer sich scheidet von seinem Weibe und freiet eine andere, der bricht die Ehe an ihr.» Ich zitiere aus dem Gedächtnis – nach Markus, dem ursprünglichsten Evangelium, in dem die Worte unseres Erlösers am wenigsten verwässert sind durch spätere Eingriffe von semitischer Vernünftigkeit und griechischer Sophisterei. Im 5. Kapitel seines Briefes an die Epheser versuchte Paulus mannhaft dieses, wie er zugibt, «große Geheimnis» ins Mystische zu erheben, indem er von den Verehelichten sagte, «und werden die zwei ein Fleisch sein», und – als kosmologisches Gleichnis – den alten Bund zwischen dem Herrn und Israel durch die Vereinigung «von Christo und der Gemeinde» ersetzte. Er schreibt: «Also sollen auch die Männer ihre Frauen lieben als ihre eigenen Leiber.» Aber die meisten Männer lieben ihre eigenen Leiber nicht, und mit Recht. Denn was anderes ist der Leib als ein Sumpf, in dem der Geist erstickt! Und was anderes ist die Ehe, dieser vermeintlich nahtlose Kreis, als ein tiefer Brunnen, aus dem der Mann und die Frau zu der unmöglichen Sonne – der fernen hellen Scheibe – der Freiheit auf starren?
Kehren wir von der Heiligen Schrift in die Welt zurück, die uns umgibt. Wie findet der moderne Amerikaner das Bewußtsein seines eigenen Wertes – nicht als verbissener Geldverdiener und Wirtschaftsfaktor, sondern als romantischer Priester und phallischer Ritter, als Persönlichkeit, als leibhaftiger Mensch und als Held – wieder? Durch den Ehebruch. Und wie gewinnt die amerikanische Frau, durch Sklavenarbeit im Haus und die abstumpfende Gesellschaft gieriger Kinder zu einem geistlosen Leben verdammt, ihre Entschlußkraft, ihren Wagemut und ihr Urteilsvermögen – kurz, ihre Würde – wieder? Durch den Ehebruch. Sobald sich der ehebrecherische Mann und die ehebrecherische Frau am Ort ihres Rendezvous einfinden, fallen all die falschen, ihnen von der Gesellschaft angepaßten Uniformen ab; sie kommen auf keine Empfehlung, sondern aus freien Stücken, und verfügen über keine anderen Legitimationen als jene, die Gott ihnen geschenkt hat, nämlich ein unersättliches Ego und taugliche Genitalien. Sie treffen sich aus Liebe, zur Liebe, in Liebe; sie erbeben in einem Glanz, der von der Weisheit dieser Welt nicht verunreinigt ist; sie sind wahrlich Kinder des Lichts. Diejenigen unter euch – ihr, deren Gesichter stumm zu mir aufschauen, während ich mich hier auf dieser imaginären Kanzel winde –, diejenigen unter euch, die ihren Schlaf abgeschüttelt haben und Ehebruch begingen, werden wissen, daß ich die Wahrheit sage, und mir in ihren Herzen zustimmen.
Das Wort ist immer ein Ärgernis. Verwerft nicht, ich bitte euch, beim Nachdenken darüber die Auslegung, zu der ich bei der Meditation über diese Stellen der Heiligen Schrift gekommen bin.
Wahrlich, das Sakrament der Ehe, wie es in
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