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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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wandte sich um und drehte den Kopf nach hinten, um die leichte Verkrümmung der oberen Wirbelsäule sehen zu können und die merkwürdig flachen Darmbeinkämme an den Hüften. Wie immer betrachtete er mit besonderer Aufmerksamkeit die zahllosen dünnen Narben, die in waagerechten Kolonnen von den Kniekehlen bis zu den Achillessehnen die Rückseiten seiner Waden überzogen. Sie erinnerten an die pedantisch genau gezogenen Striche, die ein Gefängnisinsasse in die Wand seiner Zelle ritzt.
    Geiger betrat den Schrank, legte sich auf die Seite und rollte sich zusammen, damit er hineinpasste. Dann zog er die Tür zu. Er schloss die Augen. Als die Musik ihn umfing, zerbarst jeder Ton in strahlend bunte Lichttropfen, die eine ersterbende Spur hinter sich ließen wie eine Sternschnuppe am Nachthimmel. Geiger konnte die Klänge sogar schmecken; jedes Instrument, jede Note lieferte einen anderen Geschmack, der sich mit denFarben mischte: Das Cello malte lange Streifen in Aquamarin, die süß und kühl schmeckten. Die Violinen verschossen heiße rote Linien mit leichtem Zimtgeschmack.
    Er war nun in der Dunkelheit. Er musste nachdenken.

4
     
    Jackie Cats erwachte vom klagenden Miauen einer Katze. Seine Augen schmerzten, und er bekam nur eines auf. Er erinnerte sich, wie er aus dem Bett gerissen worden war. Er wusste auch noch, wie er mit Isolierband gefesselt und in einen großen, sargähnlichen Alukoffer gesteckt wurde. Und er erinnerte sich, dass später jemand den Koffer geöffnet und ihm eine Spritze in den Hals gegeben hatte. Danach kam nichts mehr – bis jetzt.
    Er war in einem dunklen Raum, für dessen Größe er kein Gefühl bekam. Er konnte sehen, dass er mit ausgestreckten Armen und Beinen aufrecht in der Mitte eines geometrischen Gerüsts aus Stahlstangen schwebte. Sie waren rechtwinklig zusammengeschraubt und bildeten einen hohlen Würfel von drei Metern Kantenlänge. Jackie war nackt; seine Arme und Beine waren im Fünfundvierzig-Grad-Winkel abgespreizt und an Handgelenken und Fußknöcheln mit Lederriemen an die oberen und unteren waagerechten Stangen des Würfels geschnallt. Im Fußboden unter ihm befand sich ein runder Metallrost von ungefähr einem Meter Durchmesser.
    Fünf Zentimeter große Minispots in den acht Ecken des Würfels badeten seinen kräftigen Körper in grelles, hartes Licht. Eine andere Beleuchtung gab es nicht, und außerhalb des Würfels verschmolzen der schwarze Boden und die schwarze Decke mit der Finsternis. Jackie wusste nicht, wo er war, aber er wusste, wieso er hier war und was kommen würde. Er zerrte an den Fesseln, doch die Riemen gaben keinen Millimeter nach.
    Das Miauen schlug plötzlich in die schrillen, kehligen Lauteeiner wütenden Katze um. Das lang gezogene Mauzen einer zweiten Katze fiel ein.
    Jackie Cats brüllte: »Hört auf mit der Scheiße!«
    Er konnte seine eigene Dummheit nicht fassen. Was für ein dämlicher Schwanz er doch war! Jahre hatte er auf seine Gelegenheit gewartet und sich Carmines Scheißdreck gefallen lassen, hatte die richtigen Leute zusammengesucht und den Plan in Angriff genommen. Hätte er sich daran gehalten, säße er jetzt in einer Maschine Richtung Südamerika, sechs kleine Whiskeyflaschen auf dem Klapptisch vor sich, und würde sich mit seinem iPod Erste Schritte in Portugiesisch anhören. Aber nein, er musste ja noch zu einem Abschiedsfick zu Nicki. Jetzt war er selbst gefickt. Er schüttelte fassungslos den Kopf, und seine Augen pochten.
    »Leck mich!«, brüllte er.
    Das Mauzen steigerte sich zu Fauchen und kehligem Knurren, und dann gingen die unsichtbaren Katzen aufeinander los. Das Kratzen von Krallen, wildes Kreischen und Schreie, so hoch wie das Geräusch von Kreide auf einer Tafel, verwoben sich zu einer schrillen Kakophonie. Jackie Cats knirschte gequält mit den Zähnen. Und davon taten ihm wieder die Augen weh.
    Dann endete der Tumult, und eine dichte, pulsierende Stille umschloss Jackie. Am Rand des Lichtkreises entdeckte er zwei reglose Augen, die in der Schwärze schwebten und ihn anstarrten.
    »Komm her, Pussy, Pussy«, sagte er und lachte leise. Angst kannte er schon lange nicht mehr. Er hatte in die Mündung eines Schrotgewehrs geblickt; er hatte gespürt, wie sich ein Stilett in sein Fleisch bohrte, und er hatte fünfeinhalb Jahre in Attica unter irren Mördern und kranken Spinnern abgesessen. Jackie hatte eine Theorie, was Angst anging. Bei Angst ging es um Reue. Wenn man aus seinem Leben machte, was man wollte, und sich

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