Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith

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linkes Knie hatte sein volles Gewicht aufgefangen, und jetzt schwoll es pochend an. Sternhaufen huschten vor seinen geschlossenen Lidern vorbei und explodierten in grellen Farben. Beinahe fürchtete er, vor Schmerz bewusstlos zu werden. Er haderte mit sich selbst, weil er diese Möglichkeit nicht vorher bedacht hatte. Jetzt, wo die Waffe in seiner Reichweite war, krochen ihm plötzlich kleine Spinnen der Panik am Rückgrat hinauf und hinunter. Aber er wusste, über diesen Moment hinaus hatte er nicht planen können. Er konnte von Glück sagen, dass die Waffe überhaupt in Griffweite war.
    Wieder hörte er Lily wimmern. Plötzlich ließen Tränen seine Lider anschwellen, und das Feuerwerk in seinem Kopf wurde unversehens von einer verblichenen Erinnerung unterbrochen.
    ***

    Er war in ihrem Badezimmer in der 94th Street, lag in der Wanne und las die neusten Heldentaten seines geliebten Green Lantern. Die Tür öffnete sich, und Lily kam ins Bad. Sie konnte höchstens sieben sein. Erst hob sie den Klodeckel, dann ihren karierten Faltenrock, setzte sich auf die Klobrille und pinkelte. Dabei wandte sie sich Harry zu und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
    »Hörst du?«, fragte sie. »Deshalb nennt man es pullern. Weil es sich genau so anhört. Puller-puller-puller. Kann ich zu dir reinkommen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Darum.«
    »Früher durfte ich.«
    »Ich hab nein gesagt. Bist du taub?«
    »Wie könnte ich taub sein, wenn ich mit dir rede, du Dämlack?« Sie beugte sich zu ihm und klopfte dreimal mit den Fingerknöcheln auf die Schädeldecke. »Hallo, jemand zu Hause?«
    ***

    Als Harry jetzt halb unter dem Schreibtisch lag, wollte der traurigste und wütendste Teil in seinem Innern die Beretta aus dem Holster reißen und um sich schießen, bis das Magazin leer war und kein Herz innerhalb dieser vier Wände jemals wieder schlug.
    »Harry?«, hörte er Halls müde Stimme. »Harry, stehen Sie auf.«
    Harry rührte sich nicht. Er hörte, wie ein lang gezogener Seufzer aus Halls Nasenlöchern drang. Er wusste, dass Hall keineAbweichungen vom Plan mochte. Hall ging es um Information, um Präzision, um klare Verhältnisse. Die Zeitverschwendung setzte ihm zu.
    »Ich schwöre es dir, Ray«, sagte Hall. »Wenn er bewusstlos ist …«
    »Ich höre Sie«, sagte Harry.
    »Dann stehen Sie auf, und setzen Sie sich auf den Stuhl. Ray, leg Lily so auf die Couch, dass Harry sie gut sehen kann.«
    Harry schlug die Augen auf. Wenn Ray Lily zum Sofa trug, musste er an ihm vorbei. Harry rollte sich herum, stemmte sich auf Hände und Knie und holte tief Luft, damit der Sauerstoff seine Benommenheit vertrieb.
    Er beobachtete, wie Ray sich zu Lily hinunterbeugte, den Rücken ihrer Bluse packte und sie über den Boden zum Sofa zerrte. Sie hätte eine Schaufensterpuppe sein können, die zur Warenauslage geschleift wird.
    »Schön aufstehen, Harry. Morgenstund hat Gold im Mund«, sagte Ray.
    Harry hob die rechte Hand und hielt sich an der Schreibtischkante fest. Auf diese Weise konnte er aus dem Augenwinkel kurz sehen, was Hall machte – er stand noch immer neben dem Sofa. Harry schob die linke Hand unter den Schreibtisch und schloss die Finger um den aufgerauten Hartgummigriff der Beretta, als Ray auf gleicher Höhe war.
    Ray blieb stehen und grinste ihn gezwungen an. »Gleich geht der Spaß los«, sagte er.
    Harry zog die Pistole aus dem Holster und drückte sie Ray auf die breite, glatte Stirn. »Ich schwöre bei Gott, eine Bewegung, und du hast zum letzten Mal so eine unglaublich dumme Scheiße geredet.«
    Harry gefiel, wie es klang. Ihm gefiel auch, wie er es ausgesprochen hatte. Ihm gefiel, wie Ray die Lider so weit aufriss, wie Harry es kaum für möglich gehalten hätte, und blitzende, wütende, mahagonibraune Augen enthüllte.
    »Heilige Scheiße«, sagte Hall. »Das gibt’s doch nicht.«
    Harry drückte Ray die Pistolenmündung noch fester gegen das dünne Fleisch auf der Stirn. »Die Hände hoch.«
    Rays Kiefergelenke spannten sich, und er verzog das Gesicht, als hätte er auf etwas Bitteres gebissen. Dann ließ er Lily los und hob die Hände über den Kopf.
    »Dreh dich neunzig Grad mit mir«, befahl Harry, »damit ich Mr. Hall im Blick behalten kann. Mach hübsche kleine Babyschritte. Und immer schön langsam.« Die beiden Männer drehten sich um ihre gemeinsame Achse. Nun konnte Harry Ray beobachten und sah gleichzeitig den drei Meter entfernt stehenden Hall. »Mr. Hall«, sagte er, »ziehen Sie Ihre Waffe,