Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
Vom Netzwerk:
eine reinigende Erlösung. Er drehte sich Lily zu und betrachtete sie. Sie saß aufrecht da, die Hände im Haar, und drehte eine lange schwarze Strähne in einem stummen Ritual hin und her, dessen Sinn und Zweck nur sie allein kannte.
    »Ich muss mir eine Hose anziehen«, sagte Harry.
    Er hob Rays Revolver auf und ging ins Bad, ohne Hall aus den Augen zu lassen. Er legte die Waffe ins Waschbecken, löste das Sportsakko von seinen Hüften und nahm die Hose vom Toilettensitz. Als er hineinstieg, hörte er, wie Ray irgendetwas Klumpiges, Dickes ausspie. Harry versuchte nicht darüber nachzudenken, was es war.
    »Ich werde eine rauchen, Harry«, sagte Hall. »Ich greife mir jetzt ins Jackett, okay?«
    Während Harry sich ein Hemd anzog und das Sakko überstreifte, wechselte er die Hand an der Pistole, ohne die Waffe von Hall zu nehmen. »Nur zu«, sagte er.
    Hall zog eine Schachtel Camel und ein Feuerzeug aus der Tasche, als Harry ins Wohnzimmer zurückkam. Er zündete sich die Zigarette an und fragte: »Warum hat Geiger das gemacht, Harry?«
    »Er hat sich Folgendes überlegt: Wenn Sie bereit sind, den Jungen zu Dalton zu bringen, dann sind Sie auch bereit, ihn zu opfern – und uns wahrscheinlich gleich mit. So, ich muss jetzt hier raus. Meine Schwester nehme ich mit. Muss ich auch die Knarren mitnehmen?«
    »Wenn Sie darauf anspielen, ob ich Ihnen mit erhobenem Colt folge, sobald Sie gehen, und auf der Straße eine Schießerei anfange, lautet die Antwort nein. Dann brauchen Sie die Waffen nicht mitzunehmen.«
    Harry schob seine Füße in die Slipper, nahm ein Handtuch aus dem Bad und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Allmählich gewöhnte er sich an die Beretta in seiner Hand, aber er kam sich vor wie in einer fremden Wohnung.
    Er ging zu Lily, blieb auf halbem Weg stehen, wandte sich Hall zu und streckte die Hand aus. »Mein Handy.«
    Hall warf es ihm zu. Harry zog Lily hoch und hielt sie so nah bei sich, dass er ihren Herzschlag an der Brust spürte. Sie begann leise zu summen, verstummte und begann dann wieder, in stets gleichen, ständig wiederholten Intervallen. Harry kam die Melodie irgendwie vertraut vor, aber er konnte nicht sagen, wie das Lied hieß.
    »Wie lange ist sie schon so?«, fragte Hall.
    »Zu lange«, antwortete Harry. »Ich muss Sie das fragen, Hall. Wenn ich Sie beide töte, habe ich dann Ruhe?«
    »Könnten Sie das denn?«
    »Hätte ich Ruhe?«
    »De Koonings findet man nicht an jeder Straßenecke, Harry.«
    Harry nickte und sah zu Ray.
    »He, Ray«, sagte er.
    Ray hob den Kopf, die großen, blutverschmierten Pranken noch immer vors Gesicht gepresst. Harry warf ihm das Handtuch zu. Es landete vor Rays Knien, und der Schwarze griff mit beiden Händen danach. Die Beretta hatte sein Gesicht wirklich übel zugerichtet. Die stolze Adlernase war platt wie ein Pfannkuchen und schief, die Oberlippe roh und zermatscht. Die Zähne, die unter der blutigen Masse nicht zu sehen waren, mussten abgebrochen sein, wenn nicht sogar komplett ausgeschlagen.
    Harry stellte Lily auf die Füße, drehte den Kopf von ihr weg und erbrach sich auf den Boden. Er hatte sich die DVDs von Geigers Sitzungen immer mit scharfem, analytischem Blick angesehen, doch hier betrachtete er sein eigenes Werk. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über seine falschen Vorderzähne und erinnerte sich an die sengende Klarheit des Schmerzes, an die bewegende Erkenntnis, dass der Tod eine Wette war, bei der die Chancen pari standen. Er straffte die Schultern.
    Ray hielt das Handtuch auf den Mund gepresst. Sein Blick fixierte Harry wie eine Beute im Fadenkreuz. Er murmelte etwas Unverständliches, aber es war nicht zu überhören, dass es sich um einen Racheschwur handelte.
    Harry nahm Lily bei der Hand. »Komm, Lily. Wir müssen gehen.«
    »We gotta get outta this place«, sang sie, »if it’s the last thing we ever do.«
    Harry führte seine Schwester zur Tür, indem er rückwärts ging, die Pistole noch immer in Hüfthohe.
    »Macht’s gut«, sagte er.
    Hall nickte. »Sagen Sie Geiger, ich komme auf ihn zurück.«
    ***
     
    Hall hatte Schmerzen von den Hüften bis zur Schädeldecke. Mit körperlicher Not fertig zu werden, war ihm nie schwergefallen, doch er kam sich dumm dabei vor, denn in seinem Job bedeutete Schmerz, dass man versagt hatte. Man war stets auf alle Eventualitäten gefasst. Man ging immer davon aus, dass irgendwo ein Schraubenschlüssel baumelte, der nur darauf wartete, ins Räderwerk zu fallen. Doch die letzten vierundzwanzig

Weitere Kostenlose Bücher