Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
Vom Netzwerk:
Hall.
    »Meine Schwester.«
    Ray trug Lily auf den Armen ins Wohnzimmer und setzte sie in seinen Sessel. Sie schwankte im Halbschlaf von einer Seite zur anderen.
    »Tun Sie ihr das nicht an, Harry«, sagte Hall.
    Harry blickte wieder auf Hall. Ein breites Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
    »Was ist daran so komisch, Harry?«
    »Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe«, sagte Harry. »Sie glauben, das ist Ihr Ass im Ärmel?« Er stand auf und knotete sich die Ärmel des Jacketts um die Hüften, damit er nicht nackt dastand.
    »Was tun Sie da, Harry?«, fragte Hall.
    »Schauen Sie einfach zu, okay?« Harry ging zu seiner Schwester und klopfte ihr mit den Fingerknöcheln dreimal auf die Schädeldecke. »Hallo? Jemand zu Hause?«
    »Können wir spazieren gehen?«, fragte Lily.
    »Wie heiße ich, Schwesterherz?«
    »Wohin wollen wir denn?«
    Harry zwang sich zu einem leichten, kratzigen Glucksen und drehte sich zu den beiden Männern um.
    »Liebe Freunde, darf ich euch meine kleine Schwester Lily vorstellen? Sie lebt im Pflegeheim und hat katatone Schizophrenie. Seit über zehn Jahren weiß sie nicht mehr, wer ich bin, und sie liegt mir mit über hundert Riesen im Jahr auf der Tasche.« Er sah die beiden kopfschüttelnd an. »Ich meine … ich möchte natürlich nicht, dass ihr wehgetan wird, aber wenn ihr glaubt, ihr könnt mich damit unter Druck setzen …« Er gluckste noch einmal. »Ich will es mal so ausdrücken … Sie ist mir ein echter Klotz am Bein, und jeden Abend vor dem Schlafengehen beteich auf den Knien darum, dass sie stirbt. Wenn ihr sie tötet, tut ihr uns beiden einen Gefallen.«
    Hall und Ray tauschten einen ausdruckslosen Blick.
    »Harry«, sagte Ray, »sie kann ja verrückt sein wie tausend Mann, aber das heißt noch lange nicht, dass sie keine Schmerzen spürt.«
    »Es wird Zeit für den Anruf, Harry«, sagte Hall.
    »Ich sage euch doch: Geiger nimmt sowieso nicht ab.«
    »Rufen Sie einfach an«, entgegnete Hall. »Danach übernehmen wir.«
    Zwischen zwei Gebäuden am anderen Ufer des Flusses sah Harry den Rand der aufgehenden Sonne. Die Erde drehte sich mit unbegreiflicher Geschwindigkeit. Danach übernehmen wir. Wenn Hall anhand eines nicht angenommenen Handy-Anrufs jemanden orten konnte, musste er über eine sehr ausgefeilte Technik verfügen.
    »Es geht hier überhaupt nicht um ein gestohlenes Gemälde, stimmt’s?«, sagte Harry.
    »Leck mich am Arsch«, schnauzte Ray ihn an. Er riss Lily hoch und schleuderte sie durchs Zimmer. Wie eine Stoffpuppe prallte sie zu Boden – beinahe vollkommen lautlos. Das Gesicht nach unten, die Glieder verkrümmt, blieb sie liegen. Dann begann sie zu wimmern, rhythmisch und stoßweise. In Harry stiegen Trauer, Wut und Mitleid auf, dass es ihn im Hals würgte.
    Ray tippte ihm mit einem Bratwurstfinger gegen die Stirn.
    » Darum geht es hier, Harry.«
    »Weißt du was, Ray? Du machst hier einen auf harter Hund, aber in Wahrheit bist du nur ein armseliger, billiger Lückenfüller.«
    Rays riesige Hand zuckte vor und packte Harry bei der Kehle.
    »Außerdem …«, krächzte Harry, »schuldest du mir zwanzig Mäuse, Arschloch …«
    Rays Lippen teilten sich zu einem Schlangengrinsen, und einen Augenblick lang dachte Harry, er ließe sich zu irgendetwas hinreißen.
    »Halt dich an den Plan, Ray«, sagte Hall. »Lass den Kerl los, und nimm dir die Frau vor. Wollen doch mal sehen, wie kaltherzig der große Bruder wirklich ist.«
    Als Ray ihn losließ, versuchte es Harry noch ein letztes Mal.
    »Unten auf der Straße warst du richtig gut, Ray«, sagte er. »Verrate mir mal … lässt Massah Hall dich immer nur den obdachlosen Nigger spielen, oder darfst du auch mal was anderes machen?«
    Rays Arm schoss hoch und zuckte in einem perfekten Rückhandschlag herum. Mit dem Unterarm traf er Harrys Kopf in Höhe des Ohrs. Der Schlag war mit solcher Wucht geführt, dass Harry zur Seite geschleudert wurde – genau wie er es beabsichtigt hatte. Er kam kurz vor der Stelle auf, wo er aufzuschlagen gehofft hatte, überschlug sich unbeholfen und hoffte dabei, dass es realistisch aussah. Mit dem Gesicht an einem der Schreibtischbeine blieb er liegen. In seinem Kopf kreischte es laut, und er hatte Tränen in den Augen, aber auch eine zwar verschwommene, jedoch ungehinderte Sicht auf die Beretta in ihrem Holster.
    Hall war aufgesprungen.
    »Ray! Was soll das? Bist du ein gottverdammter Prolet, oder was?«
    »Tut mir leid«, brummte Ray.
    Harry schloss die Augen. Sein

Weitere Kostenlose Bücher