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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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aber der Kerl bereitete ihm stets Gänsehaut. Zuletzt hatte er ihn vor einem Jahr gesehen, bei einer von Geigers Sitzungen. Der Jones hatte Carmine die Badezimmerarmaturen für mehrere Stadthäuser geliefert und ihn dabei tüchtig übers Ohr gehauen. Der Jones war schon nach wenigen Minuten zusammengebrochen, während Carmine zuschaute, wobei er von einem Glas Chartreuse verte nippte, der 185 Dollar die Flasche kostete. Nachdem Harry den Jones zum Abtransport in eines von Carmines »sicheren Häusern« fertiggemacht hatte – für Harry ein klassischer Widerspruch in sich –, war Delanotte zu ihm getreten und hatte gesagt:
    »Harry, Harry. Unser Junge ist schon ein Prachtstück, was? Das ist so, als würde man sich ein Schachspiel in einem Boxring angucken.«
    »Nett ausgedrückt, Sir.«
    »Kasparow und Ali in einer Person. Er ist ein Genie, unser Freund.«
    Harry erinnerte sich noch immer an das leise Lachen, mit dem das Gespräch abgeschlossen wurde – es war so glatt gewesen wie das perfekt gefaltete seidene Taschentuch, das aus Carmines Brusttasche lugte. Carmine war für Harry eine ständige Erinnerung daran, dass es Leute gab, die genau das taten, was sie wollten, und alles bekamen, was sie begehrten, und zwar deshalb, weil sie Augen im Unterarm hatten, einen anscheinend endlosen Vorrat an Trümpfen und Stiletten in den Ärmeln und keinerlei Skrupel oder Gewissensbisse.
    Im Augenblick war Geiger der einzige Mensch, an den Harry sich wenden konnte. Trotz des bizarren Zwischenfalls am gestrigen Tag, der Harrys Welt aus der Bahn gerückt hatte, war Geiger seine einzige Hoffnung – die eine Hand, die ihn vor dem Sturzins Bodenlose bewahren konnte. Geiger war alles, was ihm noch blieb.
    Harrys Finger griffen in die Tasten.
    ***
     
    Ezra hatte noch zu große Angst, als dass er stillsitzen konnte. Kreuz und quer durchstreifte er Geigers Wohnung und starrte auf die Muster im Boden, um auf diese Weise seine Panik in den Griff zu bekommen. Geiger war schon so lange im Wandschrank, dass der CD-Player eine Sonate von Honegger durchgespielt hatte und mit Faurés Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 e-Moll halb durch war. Ezra konnte allerdings nicht sagen, ob die Musik half. Die Attacke war so plötzlich gekommen und schien so gewaltig gewesen zu sein, dass es den Jungen nicht überrascht hätte, wenn sie tödlich endete.
    Ezra öffnete die Schranktür. Geiger lag in Fötushaltung vor ihm, die kaum erkennen ließ, ob er überhaupt noch atmete. Vorsichtig stupste Ezra mit der Spitze seines Turnschuhs gegen das Schienbein des reglosen Mannes. Sofort zog Geigers linker Arm die Knie noch fester an die Brust; er rollte sich zusammen wie ein Käfer, der mit einem Angriff rechnet.
    »Schlafen Sie?«, flüsterte Ezra.
    Er machte einen Schritt in den Schrank und setzte sich neben Geiger. Als er sich zurücklehnte, starrte er sich selbst in den Spiegeln an. So kam ihm sein Vater vor: ein sichtbares, aber unberührbares Spiegelbild. Zwei Wochen im Jahr gab es ihn; während der übrigen Zeit war er nur eine Stimme am Telefon. Eine Hitzewelle lief Ezra den Rücken hinunter; sie war zu gleichen Teilen auf Wut und Angst zurückzuführen. Er fragte sich, wo sein Vater war, und betete, er möge in Sicherheit sein. Zugleich hasste Ezra ihn für seine Selbstsucht, denn sie hatte ihn in diesen Wandschrank geführt, und jetzt streiften Monster durch die Straßen und schnüffelten nach seiner Witterung.
    Ezra stand auf. Er achtete darauf, Geiger nicht anzustoßen, kehrte zum Schreibtisch zurück und setzte sich in Geigers Sessel vor den Computer. Das AIM-Icon am unteren Rand des Monitors lockte ihn. Er klickte es an, loggte sich als Gast ein und schrieb eine Nachricht an BigBossMan, dem Alias seines Vaters, wenn sie chatteten.
    Ezra blickte zu Geigers dunkler, zusammengekrümmter Gestalt und tippte.
    GUEST: Hier EZBoy. Wo bist du?
    Er klickte »Senden«, lehnte sich zurück und starrte auf die vernagelten Fenster vor sich. Kein Licht drang hindurch, und nur die Gespenster der schrillsten Geräusche auf der Straße durchdrangen schwach die Lärmdämmung.
    Als ein helles »Ping!« eine neue Nachricht meldete, straffte Ezra den Rücken. Er atmete tief durch und beugte sich zum Bildschirm vor. Der obere rechte Quadrant zeigte die Nachrichten in einer kleinen serifenlosen Schrift an.
    STICKLER: Hallo, ich bin’s.
    Stickler? Ezra ließ sich in das weiche Leder zurücksinken. Ein Pedant oder eine harte Nuss? Wer sollte das sein? Die

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